Zustand der Wissenschaften und Künste. 327
laufe der politischen Verhältnisse auftraten. Nie aber hat
sie die Leichtigkeit, Beweglichkeit und Anmuth der griechi¬
schen Sprache erreicht; nie jene Mannigfaltigkeit der For¬
men für alle Theile der menschlichen Kultur, weil bei den
Römern nur diejenigen Zweige der Kultur entwickelt
wurden, die eben dem jedesmaligen Staatsinteresse zusagten.
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Resultate über den ganzen Zeitraum.
Ernsthaft sind die Ergebnisse, die sich densiForscher der
Geschichte in dem Laufe dieses Zeitraumes aufdringen. —
Wenn er mit freudiger Theilnahme dabei verweilt, daß durch
Alexander, am Anfange dieses Zeitraumes, das Licht der
griechischen Kultur über Asien ausgebreitet, und daß die
lange gegenseitige Bedrohung zwischen Griechenland und
Persien durch den Sturz des erschlafften Despotenreiches
aufgehoben ward; so sieht er doch auch mit unverhaltener
Wehmuth die schöne Blüthe der Freiheit im eigentlichen Grie-
chenlande dahinwelken. Wenn gleich Rom die Schätze und
Reichthümer, die Künste und Wissenschaften der ganzen ge¬
plünderten Welt, nach dem sogenannten Rechte des Erobe¬
rers, in sich aufhäufte; so fragt er doch bei dem römischen
Volke vergeblich nach jenem höhern Sinne für Wissenschaft
und Kunst, der durch fremde Kultur genährt und befruch¬
tet, und zu eigenen selbstständigen Schöpfungen herausge¬
bildet wird. — Ja wenn er nicht ohne Erstaunen den ho¬
hen Kraftanstrengungen folgt, durch welche es Rom gelang,
endlich die ganze kultivirte Welt zu unterjochen; so kann er¬
es sich doch nicht verbergen, daß diese Größe mit dem
Untergange der Verfassung aller andern blühenden Völker
der Vorzeit zu theuer erkauft war, und daß das Recht
der Wieder Vergeltung mit unerbittlicher Strenge die
siebenhundert Jahre hindurch gesteigerte Kraft Roms durch
die wildesten Bürgerkriege erschütterte und zerstörte.
Nur einmal hat die alte Geschichte das warnende Bei¬
spiel einer Weltherrschaft aufgestellt; sie ist aber ge¬
fallen, und schrecklicher gefallen, als früherhin Persien,