Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

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Heinrich der Löwe. 
( Sage, von den Brüdern Grimm.) 
Zu Braunschweig stehet aus Erz gegoßen das Denkmal eines Helden, 
zu dessen Füßen ein Löwe ligt, auch hängt im Dom daselbst eines Greifen 
Klaue. Davon lautet folgende Sage. 
Vor Zeiten zog Herzog Heinrich, der edle Welf, nach Abenteuern aus. 
Als er in einem Schiff das wilde Meer befuhr, erhub sich ein heftiger Sturm 
und verschlug den Herzog; lange Tage und Nächte ixxrte er, ohne Land zu 
finden. Bald sieng den Reisenden die Speise an auszugehen, und der Hunger 
quälte sie schrecklich. In dieser Noth wurde beschloßen, Looße in einen Hut 
zu werfen, und wessen Looß gezogen ward, der verlor das Leben und mußte 
der andern Mannschaft mit seinem Fleische zur Nahrung dienen. Willig unter⸗ 
warfen sich diese Unglücklichen, und ließen sich für den geliebten Herrn und 
ihre Gefährten schlachten. So wurden die übrigen eine Zeit lang gefristet, 
doch schickte es die Vorsehung, daß niemals des Herzogs Looß herauskam. 
Aber das Elend wollte kein Ende nehmen; zuletzt war bloß der Herzog mit 
einem einzigen Knecht noch auf dem ganzen Schiffe lebendig, und der schreck— 
liche Hunger hielt nicht stille. Da sprach der Fürst: Laß uns beide looßen, 
und auf wen es fällt, von dem speise sich der andere. Über diese Zumuthung 
erschrak der treue Knecht, doch so dachte er, es würde ihn selbst betreffen, und 
ließ es zu; siehe, da fiel das Looß auf seinen edlen liebwerthen Herrn, den 
jetzt der Diener tödten sollte. Da sprach der Knecht: Das thue ich nimmer— 
mehr; und wenn alles verloren ist so hab ich noch ein andres ausgesonnen 
ich will euch in einen ledernen Sack einnähen, wartet dann, was geschehen 
wird. Der Herzog gab seinen Willen dazu; der Knecht nahm die Haut 
eines Ochsen, den sie vordem auf dem Schiffe gespeist hatten, wickelte den 
Herzog darein und nähte sie zusammen; doch hatte er sein Schwert neben 
ihn mit hineingesteckt. Nicht lange, so kam der Vogel Greif geflogen, faßte 
den ledernen Sack in die Klauen, und trug ihn durch die Lüfte über das weite 
Meer bis in sein Nest. Als der Vogel dieß bewerkstelligt hatte, sann er auf 
einen neuen Fang, ließ die Haut liegen und flog wieder aus. Mittlerweile 
faßte Herzog Heinrich das Schwert und zerschnitt die Nähte des Sackes; als 
die jungen Greifen den lebendigen Menschen erblickten, fielen sie gierig und 
mit Geschrei über ihn her. Der treue Held wehrte sich tapfer und schlug sie 
sämtlich zu Tode. Als er sich aus dieser Noth befreit sah, schnitt er ein 
Greifenklaue ab, die er zum Andenken mit sich nahm, stieg aus dem Nest den
	        
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