Full text: Für mittlere Klassen (Theil 2, [Schülerband])

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den Plattfuß verwundet hat; aber er war bald durch ein aufgelegtes 
Pflaster geheilt." Heim, nachdem er den Fuß gesehen, schnitt alsbald 
in die Kreuz und Quer hinein, so daß Blut erfolgte. Es währte nicht 
lange, so konnte der Patient wieder den Mund offnen, und Heim stellte 
ihn glücklich wieder her. So wurde er der Wohlthäter vieler Tausende. 
Es ist unbegreiflich, wie er in einer so weitläufigen Stadt, wie Berlin, 
60 bis 80 Krankenbesuche bestreiten konnte; aber ihm, dem immer hei¬ 
teren, ging alles, was er vorhatte, flugs von statten. Man sah ihn 
ebenso vergnügt in die Hütten der Armen kriechen, als in die Paläste der 
Reichen gehen. Darum war er auch der Liebling des Volkes. Einmal 
zu Pferde sich durch dichte Haufen drängend und einer Illumination 
zusehend, verwandelte sich der laut gewordene Unwille über den unbe¬ 
quemen, kecken Reiter, den man schon vom Pferde reißen wollte, in ein 
jubelndes Geschrei, sobald man den Vater Heim erkannte. Darum, weil 
er im Volke und für dasselbe lebte, hatte er in seinem ganzen Sein und 
Wesen etwas Freies und Lakonisches, was ihn, dem die Jovialität zur 
andern Natur geworden, auch dann nicht verließ, wenn er mit den 
hohem und höchsten Ständen umging. Er war der Leibarzt der Königin 
der Niederlande, des Kurfürsten von Hessen, während ihrer Anwesenheit 
in Berlin, und der Prinzessin Ferdinand. Diese hohe Frau hatte einen 
vortrefflichen, biedern, gutmüthigen Sinn; sie und ihr Hof aber hatten 
noch die Färbung von Friedrich dem Großen, der alle Leute Er nannte. 
Es fiel folgende charakterisirende Scene vor. Die Prinzessin sitzt in einem 
prächtigen Audienzsaale auf einem Sopha und besieht durch ein Vergrö¬ 
ßerungsglas von der Fußsohle bis zum Scheitel den geforderten, vorge¬ 
lassenen und eingeführten Heim: „Tret' Er näher!" spricht sie und fährt 
dann fort: „Ich höre von Seiner Geschicklichkeit und von Seiner großen 
und glücklichen Praxis sehr viel Rühmliches. Ich bin darum entschlossen, 
Ihn zu meinem Leibarzt zu ernennen; und solches habe ich Ihm kund 
thun wollen." — „ Ew. Königlichen Hoheit danke ich für Ihr Ver¬ 
trauen; aber die Ehre, Ihr Leibarzt zu sein, kann ich nur unter Bedin¬ 
gungen annehmen." Dies sagte Heim nach seiner Gewohnheit in einem 
heitern, jovialen Tone. Lachend sagte die Prinzessin: „Bedingungen? 
Die hat mir in meinem ganzen Leben noch niemand gemacht." — 
„Nicht?" antwortete Heim scherzend, „dann ist es hohe Zeit, daß Sie 
das lernen." — „Nun," erwiderte sie, „ich bin neugierig, diese Bedin¬ 
gungen kennen zu lernen; laß Er hören!" — „Die erste ist," ant¬ 
wortete Heim humoristisch, „daß Ew. Königliche Hoheit mich nicht Er 
nennen; das ist nicht mehr an der Zeit; der König thut das nicht; 
selbst meine Bedienten nenne ich nicht Er. Die zweite Bedingung ist, 
daß Sie mich dann nicht, wie soeben geschehen, so lange antichamvriren 
laffen; ich habe keine Zeit zu verlieren, der längste Tag wird mir stets 
zu kurz. Die dritte ist, daß Ew. Königliche Hoheit mir nicht so nach 
den Füßen sehen; ich kann nicht en escarpins, sondern nur in Stiefeln 
und im bequemen Oberrock kommen. Die vierte ist, daß Sie nicht ver¬ 
langen, ich soll zu Ihnen zuerst kommen; ich komme nach Beschaffenheit 
der Krankheit, nach Lage der Straßen und Häuser. Die fünfte ist, daß 
Sie mich nicht zu lange aufhalten und nicht von mir verlangen, ich soll 
mit Ihnen von der wetterwendischen Politik und von Stadtneuigkeiten 
schwätzen; dazu habe ich keine Zeit. Endlich die sechste, daß Sie mich, 
weil Sie eine Königliche Hoheit sind, königlich honoriren."
	        
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