Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

Frankreich unter Richelieu und Mazarin mul die Zeit Ludwigs XIV. 99 
zeiten ohne Genehmigung der Volksvertretung halten dürfe; 
wenn der Träger der Krone eine der in der Bill of rights ge¬ 
zogenen Schranken durchbreche, so seien damit die Unterthanen 
von dem ihm geleisteten Treueid entbunden. 
In den folgenden Jahrhunderten hat sich allmählich die 
Gewohnheit herausgebildet, dass der König, um mit der Mehr¬ 
heit seines Volkes in Einklang zu sein, seine verantwortlichen 
Minister aus der Mehrheitspartei des Unterhauses nimmt und 
sie entlässt, sobald sie mit der Mehrheit in Widerspruch ge¬ 
raten1). 
§ 12. Frankreich unter Richelieu und Mazarin und die 
Zeit Ludwigs XIV. 
Während in England die Bestrebungen der Stuarts, die 
königliche Gewalt von allen Schranken zu befreien, kläglich 
scheiterten, gelang es um dieselbe Zeit in Frankreich einer 
zielbewussten, rücksichtslosen Staatskunst, nicht nur die All¬ 
macht des königlichen Willens zu begründen, sondern 
auch dem französischen Staat das Übergewicht in 
Europa zu verschaffen. Dies war das Werk der grossen 
Staatsmänner Richelieu und Mazarin und des Königs Lud¬ 
wig XIV. 
I. Die Vorbereitung der königlichen Alleinherrschaft. 
Nach Heinrichs IV. Tode^l610) ging die Krene auf seinen 
ältesten Sohn Ludwig XIII. über2). Da er noch nicht ganz 
zehn Jahre alt war, so führte seine Mutter, Maria von Medici3), 
in den nächsten Jahren die Regierung. Einige Zeit nachdem 
er (im Alter von dreizehn Jahren) mündig gesprochen war, 
zerfiel er mit seiner Mutter4), befreite sich von ihrer Leitung 
und entzog ihr jeden Anteil an der Regierung; er geriet jedoch 
hierauf in völlige Abhängigkeit von einem unfähigen, ränke¬ 
süchtigen Günstling, wie er überhaupt sein ganzes Leben hin¬ 
durch nie Herr seiner selbst wurde. Seit dem Jahre 1624 
war der Kardinal von Richelieu5), der zwischen dem 
König und Maria eine Aussöhnung zustande brachte, allmäch¬ 
tiger Minister. 
*) Grundsatz: „Le roi regne, et ne gouverne pas'‘. 
2) Vgl. die Stammtafel auf der folgenden Seite. 
3) Mit ihr war Heinrich IV. in zweiter Ehe vermählt gewesen. 
4) Er liess ihren Günstling, den ihm verhassten Marschall d’Ancre, 
meuchlings ermorden. 
5) Später zum Herzog erhöhen.
	        
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