Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

Die Vorboten einer neuen Zeit. 
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Römer und ihres Verfalls1) ist geschichtsphilosophischer 
Art, wie schon sein Titel verrät. Am,bedeutendsten und gross¬ 
artigsten ist jedoch sein Buch „der Geist der Gesetze“2). 
Darin tritt er für die durch eine Verfassung beschränkte Herr¬ 
schaft eines Einzelnen (= die konstitutionelle Monarchie) 
ein, wie sie nach seiner Ansicht unter den vorhandenen Be¬ 
gierungen am besten in England zu finden ist. Vor allem ver¬ 
langt er, dass die drei Arten der staatlichen Gewalt, die 
gesetzgebende, die vollstreckende und die richterliche, 
voneinander getrennt und unabhängig seien, wenn sie 
zum Wohl der Gesamtheit vor Übergriffen bewahrt sein sollen. 
C. Rousseau. 
Jean Jacques Rousseau3), der Sohn eines Uhrmachers in 
Genf, hat in seinen „Selbstbekenntnissen“4) die mannigfachen 
Schicksale und Irrgänge seines Lebens freimütig und schonungslos 
erzählt. Er hat von allen „Aposteln der Aufklärung“ die am 
tiefsten gehende Wirkung hervorgebracht. Sein Losungswort 
war: Rückkehr zur Natur aus einer Welt, die durch Bildung 
und Fortschritt entstellt ist. Er lenkte die Aufmerksamkeit 
weiterer Kreise auf sich, als er die Behauptung aufstellte, 
„dass die Civilisation mit ihrem Luxus, ihren Künsten und 
Wissenschaften und ihren Standeunterschieden die Mutter alles 
Lasters und Unglücks sei; nur der Wilde sei wahrhaftig frei, 
gut und glücklich“. In seinem Roman „Julie ou la nouvelle 
Heloi'se“ wies er auf dief Unnatur des herrschenden Gesell¬ 
schaftslebens hin. Der „Emile“ wollte den Weg zu einer 
naturgemässen Erziehung zeigen. Im „Gesellschaftsvertrag“5) 
stellte er die Lehre von der ursprünglichen, allgemeinen Gleich¬ 
heit und Freiheit der Menschen auf und forderte eine Umge¬ 
staltung von Gesellschaft und Staat auf der Grundlage dieses 
Satzes. 
Seine mit Feuer und Empfindung vorgetragenen Ansichten 
zündeten nicht bloss in Frankreich, sondern besonders auch in 
Deutschland, wo Kant und Schiller reiche Anregung von ihm 
erhielten, die sogenannten „Originalgenies“ unserer Litteratur 
seine Sätze zu ihrem Evangelium machten und die Erziehungs¬ 
wissenschaft durch seinen Emil in neue Bahnen gelenkt wurde6). 
J) Considerations sur les causes de la grandeur des Eomains et de 
leur decadence. 
2) L’esprit des Lois. 
8) 1712 bis 1778. 
4) Confessions. 
5) Contrat social. 
6) Vollständig auf Rousseau’schem Boden steht der grosse Schweizer 
Pädagog Pestalozzi. 
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