153
als er seinen Herrn nach Yineta zurückbrachte, und dieser
nahm sich vor, ihn nie zu verkaufen und ihn nie zu verstossen,
sondern ihm täglich drei grosse Metzen Hafer zu geben, bis er
stürbe. Doch allmählich vergass es Usedom, dass er dem Schim¬
mel sein Leben verdankte, und gab ihm nur noch zwei kleine
Metzen Hafer. Der Schimmel hatte sich an dem erwähnten
Tage erhitzt, war steif, lahm und endlich auch blind gewor¬
den. Sein Herr mochte nun nicht mehr auf ihm reiten und
kaufte sich ein anderes Pferd. Weil abei; der Schimmel noch
gar nicht alt war, so lebte er noch viele Jahre nach jenem
Ritte. Da gab ihm der Herr zuletzt nur noch eine Metze Ha¬
fer des Tages, und da ihm dieses zu viel schien und kein
Mensch einen Pfennig für den Schimmel geben wollte, befahl
er seinem Knechte, ihn wegzujagen; der nahm einen Stock,
weil das Pferd nicht weichen wollte, und trieb es aus dem
Stalle. Da blieb es sieben Stunden am Thore stehen mit nie¬
dergebeugtem Kopfe und spitzte seine Ohren , wenn etwas sich
im Hause regte. Die Nacht schlief es daselbst auf den harten
Steinen, während es kalt war und schneiete. Endlich trieb-der
Hunger das Thier, wegzugehen, aber weil es blind war stiess es
überall an. Mit seiner Nase roch es links und rechts, ob nicht
ein Hähnchen Stroh da läge; doch es fand nur wenig.
Es war aber in der Stadt ein Glockenhaus, das stand
Nacht und Tag offen. Man hatte es gebauet, um Unrecht zu
verhindern. Denn wenn jemand meinte, es geschähe ihm Un¬
recht von einem andern, so ging er ins Glockenhaus, fasste an
den Glockenstrick und läutete. Sogleich kamen die Richter
der Stadt zusammen und richteten. Zufällig tappte auch der
Schimmel in dies Glockenhaus hinein; und da er alles mit sei¬
nen Lippen berührte und aus Hunger mit seinen Zähnen alles
benagte, so fand er mich den Strick, fasste ihn mit den Zäh¬
nen und fing an zu läuten. Plötzlich kamen die Richter und
sahen den Schimmel als Kläger. Da sie wohl wussten, wie
grosse Dienste der Schimmel seinem Herrn gethan hatte, so
ging ihnen die Sache zu Herzen. Sie liessen Usedom sogleich
herbeirufen, der sich nicht wenig wunderte, als er seinen
Schimmel an der Klageglocke sah. Er wollte sich über seine
Hartherzigkeit rechtfertigen, allein die Richter fällten folgcn-
' des Urtheil:
„Die Klageglocke hat getönt,
Der Kläger stehet hier,
Durch nichts wird eure That besehent,
Und so gebieten wir:
Dass ihr sogleich das treue Pferd
In euren Hausstall führt,
Und bis aus Ende pflegt und nährt,
Wie euch als Christ gebührt!“