Full text: Geschichte des Mittelalters (Hälfte 1)

— 258 — 
menschlicher Werkthätigkeit zur Folge hattet) Aber einen Wendepunkt in 
der wirtschaftlichen Entwickelung von dem Austreten der Pest zu datieren, 
ist man nicht berechtigt, zumal da die Münzverschlechterung, welche mit der 
Wertsteigerung der menschlichen Produktionstätigkeit Hand in Hand geht, den 
Grad dieser Preiserhöhung bedeutend herabmindert.^) Der Menschenverlust 
wurde durch die gesteigerte Volksvermehrung der folgenden Zeit rasch ersetzt, 
schneller in den Städten, etwas langsamer aus dem Lande. Nachdem die Wut 
der Krankheit nachgelassen, läßt sich überall ein bedeutender Aufschwung bemer¬ 
ken; der Übervölkerung, welche den Nahrungsspielraum verengte, hatte die Pest 
ein Ende gemacht; sür die Überlebenden und das entstehende neue Geschlecht 
waren nun in größerer Fülle die Subsisteuzmittel vorhanden und dadurch 
wurde die Gestaltung gesünderer wirtschaftlicher Verhältnisse erst möglich. Die 
Städte Deutschlands zeigen samt und sonders in der zweiten Hälfte des 14.Jahr- 
Hunderts nicht das Bild des Verfalls, sondern der Erstarkung ihrer politischen 
Macht und ihres Wohlstandes. Der deutsche Handel nimmt die Wettbewerbung 
mit der Haudelsthätigkeit anderer Völker auf und beginnt „den Welthandel zu 
erobern".8) Die Sittlichkeit des Volkes hat der schwarze Tod mit allen seinen 
Schrecken nicht gehoben. Im Gegenteil suchte man durch gesteigerte Üppigkeit 
und fröhlichen Lebensgenuß die Todesfurcht zu bannen/) „Darnach da das 
Sterben, die Geißelfahrt, Römerfahrt (zum Jubiläum 1350), Judenschlacht 
ein Ende hatte, da Hub die Welt wieder an zu leben und fröhlich zu sein" 
berichtet die Limburger Chronik.^) Man spottete und lachte über das strenge 
Leben der Geißler und sang in übermütiger Lebenslust aus Gassen und in 
Schenken das Volkslied: 
Gott geh im ein verdorben jar, 
der mich macht zu einer nunnen 
und mir den schwarzen mantel gab 
den weissen rock darunter,6) 
zur selben Zeit, da Heinrich der Teichner in seinem Siebe „von der Welt 
Jrregang"^ zu ernster Einkehr aufforderte. Vielen Chronisten mochte es 
scheinen, als fei die Menschheit durch die Pest nicht sittlich geläutert, sondern 
verschlechtert worden.8) Und in der That läßt sich eine Verwilderung der 
1) Höniger 88, Lechner 71 flg. Vgl. über die Preissteigerung die Klage des 
Beness. 355: Sed unum compellor scribere quod in rei veritate sie se habet, 
quia hii, qui colligunt hospites et artifices, mechanici non solum Boemi sed 
et aliarum terrarum, ineeperunt facere caristiam omnium victualium et ne- 
cessariorum. et sie ab eo tempore venit in consuetudinem, quod omnia hu- 
manis usibus necessaria sunt in caro foro ubique locorum. Cont. Guil. de 
Nang. II bei d'Achery, Spicil. Roman, (ed. II) III, 110: Et quod iterum mira- 
bile fuit: nam cum omnia abundantia omnium bonorum esset, cuncta tarnen 
cariora in duplo fuerunt tarn de rebus utensilibus quam de victualibus, ac 
eciam de mereimoniis et mercenariis et agricolis et servis exceptis aliquibus 
hereditatibus et domibus quae superüue remanserant his diebus. Li Muisis 
bei de Smet, Recueil des chroniques de Flandre II, 396flg.: multi eorum qui 
remanserunt et erant dictae conditionis pro eo quod ditati erant de bonis 
mortuorum, et alii excedendo magnam mercedem habere volebant pro labore; 
et sie in multis locis propter defectum colonorum vineae et terrae incultae 
remanebant, et omnes operarii et familiae ultra modum volebant excedendo 
habere salaria, maxime quia in toto regno Franciae currebat moneta debilis 
et omni die debilitabatur. 2) S. Höniger 90, 92. 3) Höniger 97. 4) S. 
Cont. Novimont. M. Gr. SS. IX, 675. 5) Limb. Chr. ed. Rossel p. 26. 6) Lech¬ 
ner 94. 7) Mitgeteilt bei Lechner p. 153. 8) Limb. Chr. ed. Rossel 20.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.