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der ersten Jahre seiner Regierung zu wiederholten Malen im Reiche, um
die Wirren abzuthuu, hielt auch in Böhmen auf strenge Gerechtigkeitspflege
ohne Ansehen der Person. Im Anfang war sein Regiment in Böhmen
beim Volke nicht unbeliebt, zumal er nicht nötig hatte, das Land durch
Steuern sonderlich zu drücken. Was ihm aber fehlte, war Ausdauer und
Ernst; sowie sich ihm Schwierigkeiten entgegenstellten, gab er Begonnenes
wieder auf, wenn er auch erst mit Eifer an die Ausführung gegangen
war. So verlor er bald die Lust zu ernster Thätigkeit, und diese Flucht
vor den Geschäften trug ihm den Beinamen des Faulen ein. Je mehr
er aber die Last der Regierung von sich abwälzte, desto mehr wurde er
ein Sklave des Trunkes, ein Spielball in den Händen seiner Günstlinge
und der Spott seiner Unterthanen. Im Trünke übermannte ihn leicht die
Leidenschaft; sie riß ihn zu Handlungen fort, die er nach eingetretener Er-
nüchterung bitter zu bereuen pflegte.
Als Wenzel die Regierung des Reiches übernahm, fand er die Kirche
durch eine Doppelwahl gespalten: das große, sast vierzigjährige Schisma
hatte seinen Anfang genommen.
Gregor XI. hatte Anfang 1377 den Sitz der Kurie vou Aviguou nach
Rom zurückverlegt und am 17. Januar unter dem Schalle der Trompeten
und dem Jubelgeschrei des Volkes seinen Einzug in die Mauern der ewigen
Stadt gehalten.1) Er hatte gehofft, die Parteien versöhnen zu können; kaum
aber war der Festrausch verflogen, so brach die Zwietracht wieder aus. Er selbst
besaß nur eine Scheingewalt und erkannte bald, wie ohnmächtig er war. Kummer
und Sehnsucht nach seinem französischen Heimatlande nagten an seinem Herzen
und beschleunigten seinen Tod: am 27. März 1378 schied er aus dem Leben.
Auf dem Sterbebette hatte er verfügt, daß nach feinem Ableben die in der
Stadt anwesenden Kardinäle ohne Rücksicht aus die abwesenden die Neuwahl
vornehmen sollten, sobald es ihnen gut dünke, und gestattet, daß einfache
Stimmenmehrheit den Ausschlag gebe. Er hatte durch diese Anordnung einer
zwiespältigen Wahl vorbeugen wollen; als er aber die Augen geschlossen,
scheinen sich die Kardinäle dahin geeinigt zu haben, nach den älteren über
die Papstwahl geltenden Bestimmungen zu verfahren. Das Kollegium war
nicht in seiner ganzen Stärke mit Gregor XI. nach Rom übergesiedelt, von
23 Kardinälen waren 6 in Avignon zurückgeblieben; einer weilte als Ge¬
sandter bei den Florentinern. Die 16 Kardinäle aber, die das Bett des
Sterbenden umstanden, waren weit entfernt, eines Sinnes zu sein; mehrere
Parteien befehdeten sich mit feindseliger Heftigkeit. Zwölf von den sechzehn
waren Franzosen, bildeten jedoch keine geschlossene Partei, sondern zerfielen
wiederum in zwei, die Limousiner und die gallische Partei, jene unter
Führung des Bischofs Johann von Präneste, des Kardinals von Limo-
ges, diese unter der des Kardinals Robert von Gens; vier Italiener
bildeten eine dritte Partei. Daß bei der Schroffheit der Gegensätze an die
Wahl eines Kardinals nicht zu denken war, zeigte sich schon bei den ersten
Verhandlungen; es mußte ein außerhalb des Kollegiums stehender Kom-
promißkandidat gesucht werden, auf den die Mehrheit sich einigen konnte.
Ein solcher bot sich in Bartholomäus Prignano dar, einem Manne von
1) Scholz, Die Rückkehr Gregors XI. von Avignon nach Rom im Jahre
1377. Progr. des Gymn. zu Hirfchberg. 1884.