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5. Böhmen nach Ottokars Tode.
Rudolf entließ bald nach dem Siege das ungarische Heer, dessen Plünde-
ruugslust auch im Freundesland nicht zu zügeln mar.1) Er selbst rückte in
Mähren ein und fand bei den Städten, die er durch Bestätigung und Ver-
Mehrung ihrer Privilegien^) schnell an den Gedanken eines Herrschaftswechsels
zu gewöhnen wußte, freundliches Entgegenkommen. Mähren sollte bis zur
Deckung der Kriegskosten in der Hand des Königs als Pfand verbleiben.
Zwei Statthalterschaften wurden eingerichtet und zu Verwaltern die Bifchöfe
Bruno von Olmütz und Heinrich von Basel bestellt.
Böhmen war seit dem Tode Ottokars in innerer Gärung. Zwei
Parteien bekämpften einander. Die eine, unter Führung des Geschlechtes der
Rosenberg, suchte deuFrieden mitRndols, umBöhmen Wenzel, dem Sohne
Ottokars, unter Vormundschaft seiner Mutter Kunigunde zu erhalten;
die andere warf sich dem Markgrafen Otto dem Langen von Branden-
bürg in die Arme, dem Ottokar für den Fall seines Todes den Schutz
seiner Familie und seines Landes anvertraut hatte,3) um mit dessen Hilfe
die Herrschaft des böhmischen Adels zu begründen. Der Ausforderung Ru-
dolfs,4) sich zu unterwerfen, gehorchte die Partei der Königin. Anfang
Oktober 1278 kam der Vertrag zustande, der im wesentlichen eine Erneue-
rung des Wiener Friedens von 1276 war. Die Verheiratung Wenzels
mit Gnta uud der ins Kloster geschickten Kunigunde (Agnes) mit Rudolf,
dem Sohne, wurde abermals in Aussicht genommen.5) Die Übertragung der
vormundschaftlichen Regierung an die Königin erwies sich jedoch bei dem
Übergewicht der brandenburgischen Partei als ein Ding der Unmöglichkeit.
Markgraf Otto stand kriegsbereit im Lande. Rudols zog schnell Truppen
heran6) und rückte dann bis Sedletz vor, wo er, kaum ^ Meile vom Feinde
entfernt, ein Lager Schlug.7) Der drohende Zusammenstoß wurde durch einen
Vergleich vermieden.8) Rudolf übertrug dem Markgrafen auf fünf Jahre die
Regentschaft in Böhmen und versprach seine Tochter Hedwig dem Bruder
desselben zur Frau zu geben. Dem Abschlüsse des Vertrags, der freilich
nur einen vorläufigen Zustand begründete, folgten Ende November oder
Anfang Dezember die Hochzeiten der jugendlichen Verlobten zu Jglau.^)
Für Böhmen brachte die Sedletzer Übereinkunft keineswegs den inneren
Frieden. Die czechifche Partei, welche durch die Anerkennung der Vormundschaft
1) Ann. S. Rudb. 804flg. Cont. Vindob. 710. Emier II, no. 1139- 1143,
1147—1151. 2) Vgl. Kopp I, 273—76. Das Chron. Golm. 252 schreibt: Civi-
tates (Horaviae) communi conailio dominum regem Rudolfum pro domino rece-
perunt, et infra mensem se et sua totaliter commiserunt et sibi fidelitatem
iuramento firmissime promiserunt. Cont. Vind. 1. c. Ann. S. Rudb. 1. c. Über
die Ordnung der mährischen Verhältnisse handelt Boczek, Mähren unter König
Rudolf I. in Abhandl. der königl. böhm. Gesellsch. d. W. 1835. Neue Folge IV.
3) Das geht aus dem Briefe Kuniguudens hervor, in dem sie den Markgrafen Otto
bittet, schleunig nach Böhmen zu kommen. (Emier II, no. 1145): maritus noster,
dum ad infelicem expedicionem vellet procedere, si ipsum decedere con-
tingeret, vobis nos et pueros nostros ac terras nostras recommisit etc.
4) Emier II, no. 1152. 5) Ann. S. Rudb. 805. Cont. Vindob. 710. Emier II,
no. 1153. 6) Reimchronik Kap. 166. 7) Otto stand bei Kolin, Cont. Vindob. 710.
8) Ann. S. Rudb. 1. c. Cont. Vind. 1. c. Joh. Vict. 311. Reimchronik Kap. 167
bis 172. Bodmann, Cod. ep. p. 53. (Emier II, no. 1164.) 9) Joh. Victor. 311.
Ann. Salisb. 1. c. Reimchronik Kap. 174, 175.
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