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Zweiter Zeitraum. II. Abschnitt.
Nun wusste der englische Lord Clive (Kleiw) nicht allein mit den
Waffen, sondern auch durch Benutzung der Streitigkeiten der indischen
Fürsten unter einander, seit 1756 Bengalen, Bahar und Orira vom
Shah Allum für die englisch-ostindische Compagnie zu erwerben und
den Großmogul zur Annahme einer Pension zu bewegen (1765). Nach
Clive führte (seit 1770) Warren Hastings die englischen Ange¬
legenheiten in Ostindien. Am begierigsten waren die Engländer nach
den Besitzungendes mächtigen Hyder Aly von Mysore, welcher
1782 starb. Nach dessen Tode übernahm Tippo Saib, Aly's Sohn,
die Regierung, welcher sich bei der blutigen Eroberung Seringapatams
(4. Mai 1799) unter die Trümmer seines Reichs begrub. Nun waren
in Ostindien nur noch die Maratten zu besiegen, denn die übrigen Feinde
Englands, namentlich die europäischen, lagen bezwungen. Doch auch
diese wurden in der neuesten Zeit besiegt, und die englischen Besitzungen
in Ostindien betragen jetzt über 45,000 Quadratmeilen und über 100
Millionen Unterthanen. Wenden wir uns nun nach Nordamerika.
Cabot hatte 1496 für die Engländer New-Foundland entdeckt,
die Spanier fanden 1512 Florida, und die Franzosen 1535 Canada
(Florida und Canada fielen durch den Versailler Friedensschluss 1763
an England). Seit Elisabeth's Regierung siedelten sich die Engländer
erst recht eigentlich in Nordosten von Amerika an. Z. B. unter An¬
führung des Walter Raleigh in Virginien (1585), unter der Regierung
Jacob I. zu Jamestown (1630) und zu Neu-Plymouth. Für jene
neuen Anpflanzungen war volle Gewissensfreiheit ausgesprochen, dess-
halb wendeten sich namentlich die Puritaner dahin und gründeten New-
Hampshire, Massachusets, Rhode-Island, Connecticut. Die aus Eng¬
land vertriebenen Katholiken stifteten (1634) St. Mary-Land. — Ein
Schuster, Namens Georg For, gründete 1649 eine Religionssekte,
welche den Namen Quäker erhielt. (Diese Sekte glaubt an un¬
mittelbare, göttliche Offenbarungen, verwirft den Eid und den Soldaten¬
stand, betrachtet alle Menschen als Brüder und nennt sie Du.) Diese
gründeten Neu-Jersey, Neu-Aork, Pensilvanien und die Stadt Phila¬
delphia. Auch von Deutschland aus zogen Ansiedler nach Nordamerika.
Z. B. die Pfälzer nach Nordcarolina (1710), die französischen Huge¬
notten aber seit 1562 nach Südcarolina. Letztere aber wurden von
den Spaniern als Ketzer ermordet. Georgien bevölkerten Isländer,
Schotten und Salzburger. Im Jahre 1764 entstand Vermont und
1773 Kentuky. Denn bürgerliche und religiöse Freiheit rief gewcrb-
fleißige Menschen aus dem unter politischem und religiösem Drucke
schmachtenden Europa in die unangebauten Wildnisse von Amerika.
In der neuen Welt kannte man keinen Adel, aber auch keinen Pöbel,
sondern nur thätige Arbeiter, fleißige Ackerbauer. Die Vorurtheile der
alten Welt hatte man nicht mit über das Meer genommen. Alle An¬
siedler in Nordamerika erkannten Englands Oberherrschaft an, und ge¬