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erbt werden sollten. Allen Kurfürsten wurden als
Privilegien verliehen: 1) privilegium de 11011 evocando
(das Böhmen und die geistlichen Kurfürsten schon hatten), d. h.
dass keine von ihnen irgendwie abhängige Person an ein fremdes
Gericht geladen werden dürfe. 2) privilegium de 11011 appel-
lando, d. h. dass von ihren Gerichten ankein anderes Gericht
Berufung eingelegt werden dürfe. Nur im Falle der Rechtsver¬
weigerung sollte eine solche ans Reichshofgericht statthaft sein,
in Böhmen aber überhaupt nicht. 3) D as (für die Abrundung der
Kurlande wichtige) Recht, von wem immer Lande, Burgen,
Lehen und Eigengüter durch Kauf, Schenkung oder als
Pfand zu erwerben. Ferner wurden ihnen das Berg- und
Salzregal, der Judenschutz und das Zollregal in seitherigem
Umfang bestätigt, das Mlinzregal auf das Mass Böhmens er¬
höht (Prägung von Goldmünzen und Errichtung neuer Münz¬
stätten). Endlich wurden alle Verschwörungen und Anschläge
gegen das Leben der Kurfürsten, weil das Kurfürstenkolleg ein
Teil des kaiserlichen Leibes sei, als Majestäts verb rechen
mit Hinrichtung und Vermögenseinziehung belegt. Natürlich
strebten nun die übrigen Fürsten darnach, die Vorrechte der
Kurfürsten auch zu erlangen; das privilegium de non evocando
erhielten im Laufe des XIV. und XV. Jahrhunderts alle Reichs¬
fürsten, auch viele Herren, Städte und Stifter; 1487 wurde das
königliche ius evocandi ganz aufgehoben.
Die Bezeichnung goldene Bulle“ rührt von dem (freilich ihr nicht aus¬
schliesslich eigentümlichen) Schmuck durch ein Goldsiegel her. Ein grosser
Teil ihrer Bestimmungen war schon auf einem Nürnberger Reichstage Antang
1356 vereinbart und verkündet worden. Weltliche Kurstimmen führen
Böhmen, Pfalz (womit ein Anteil der bayrischen Linie der Wittelsbacher
ausgeschlossen wurde), Sachsen-Wittenberg (womit die Ansprüche der
älteren Linie Lauenburg verworfen wurden) und Brandenburg. Die Lei¬
tung der Wahl blieb dem Mainzer, der aber erst an siebenter Stelle stimmt.
Von den weltlichen Fürsten stimmt zuerst (nach Trier und Köln) der Bohme.
Die Kurfürsten dürfen sich bei der Wahl durch Bevollmächtigte vertreten
lassen. Wer weder erscheint noch sich vertreten lässt, kommt für die je¬
weilige Wahl nicht in Betracht. Die erste Obliegenheit des Gewählten ist,
den Kurfürsten ihre Gerechtsame zu bestätigen. Der Mainzer hat spätestens
einen Monat, nachdem ihm der Tod des Königs kund geworden, die Kur¬
fürsten auf einen höchstens 3 Monate nach dem Empfang des Schreibens
fallenden Termin nach Frankfurt zu laden. Für die Hin- und Herreise, wie
für den Aufenthalt in Frankfurt, wird den Kurfürsten durch Androhung der
schwersten Strafen sicheres Geleit gewährleistet. Die Bestimmung, dass,
solange es dem Kaiser und den Kurfürsten beliebe, die Kurfursten jähr¬
lich um Ostern auf vier Wochen in irgend einer Reichsstadt um den
Kaiser sich versammeln sollten, blieb wirkungslos. Die übrigen
Fürsten wurden durch Androhung der Reichsacht gegen Vasallen, die ihre
Lehnsherren angreifen, ohne sie vorher in den wirklichen Besitz der aut-
gelassenen Lehen gesetzt zu haben, geschützt, sowie durch Verbot unci
Aufhebung aller Bündnisse, Einungen und Eidgenossenschatten