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grober Vergehen erfolgte Verhaftung zweier Kleriker veraulasste, und hei dein
von Paul V. (1605—21) zum letztenmale — und wirkungslos — das
päpstliche Interdikt über ein ganzes Land verhängt wurde,
führte zur Austreibung der Jesuiten (1606). In Florenz und dem
ganzen Grossherzogtum Toskana beherrschten die Jesuiten seit 1562 den
Beichtstuhl und die Schule. In Portugal gelangten sie rasch zur vollen
geistlichen Herrschaft, nachdem Ignatius 1546 dem König die langerstrebte
Staatsinquisition, zunächst gegen die zwangsweise getauften Juden,
von derKurie.erwirkt hatte. In Spanien, von dem baskischen Gebiet
abgesehen, fanden sie leidenschaftlichen Widerstand, insbesondere
in Castilien, seitens des Hauptvertreters der Neoscholastik,
Melchior Cano, der u. a. behauptete, ihre Uebungen zerrütten die Nerven und
wirken erschlaifend, und seitens des hohen Klerus; Ignatius musste
zugestehen, dass ohne Wissen und Willen des Erzbischofs von Toledo niemand
in Spanien in den Orden aufgenommen werden dürfe ; die Eifersucht der
alten Orden, insbesondere der Dominikaner, machte dem Orden
noch lange zu schaffen. In Frankreich fand er noch zäheren Wider-
stand, und nur der Kampf gegen die Hugenotten bestimmte
die gallikanische Kirche, den Orden auf kommen zu lassen; im Süden
nahm er den Kampf früh mit leidenschaftlichen Predigten und Sühneprozessionen
auf und erklärte jede Toleranz für staatsgefährlich. Ihm durchaus abgeneigt
zeigte sich das Pariser Parlament und die Sorbonne, die ihn als überhaupt
mehr zur Zerstörung als zur Erbauung geeignet bezeichnete; 1561 wurde er
durch ein Gesetz formell anerkannt, aber nur als „collège de Clermont“. Er ent¬
faltete hier eine erfolgreiche Schulthätigkeit und schuf eine üppige Kontrovers-
litteratur.
In Deutschland verfolgte der Orden von Anfang an die
Aufgabe, den Protestantismus zu bekämpfen. Fab er gewann
1541 in dem Niederländer Petrus Canisius (Kanis geb. 1522, f 1597),
dem „Apostel der Deutschen“, den wirksamsten Genossen und in Otto von
Truchsess, bald Bischof von Augsburg und Kardinal, den opferwilligsten und
entschlossensten Bannerträger der Gegenreformation. Eingebürgert wurde der
Orden durch Claude Jay, und zwar zunächst als Schulorden, in Bayern;
an der Universität Ingolstadt wirkten schon 1549 Jay, Salmeron, Canisius als
Lehrer, 1555 gründete der Orden hier ein Kollegium, ein Priesterseminar und
eine humanistische Schule, in München 1561 ein Kollegium. Canisius erteilte
dem bayrischen Herzog Ratschläge für die Gegenreformation; um 1575 war
die Beherrschung der Universität, des Herzogshauses und des Landes ge¬
sichert. — Die bischöflich-augsburgische Universität Dillingen wurde ihnen
1558 übergeben und immer mehr Mittelpunkt planmässiger Bekehrung und
populärer Polemik. In der Stadt Augsburg wurde 1582 ein Jesuitengymnasium
gegründet, in Würzburg 1567, in Fulda 1572 ein Kollegium. In Oester¬
reich, wo Ferdinand in ihnen das ersehnte Werkzeug sah, um einen ge¬
sitteten und gebildeten Klerus heranzuziehen, aber gewaltsamere Mittel der
Gegenreformation scheute, gründeten die Jesuiten 1551 in Wien ein Kollegium
und ein Priesterseminar ; 1556, 1562, 1566 Kollegien in Prag, Innsbruck und
Olmütz. Sie bekamen 1585 die neugegründete Universität Innerösterreichs
Gratz in die Hände. Von Ferdinand veranlasst, schrieb Canisius 1554
seinen Volkskatechismus, der auf Ferdinands Befehl alsbald aus dem
Latein in mehrere Sprachen übersetzt, und in den Niederlanden von Philipp II.
ausschliesslich zugelassen wurde. Ein für ihn noch von Ignatius aus¬
gearbeitetes Programm der Gegenreformation (auch Todesstrafe
für Lehrer und Laien) befolgte Ferdinand nicht.
In Niederdeutschland, aus dem sich der Jesuitenorden vielfach
rekrutierte, gelangte er weniger rasch als in Oberdeutschland zu umfassenderer