94 
grober Vergehen erfolgte Verhaftung zweier Kleriker veraulasste, und hei dein 
von Paul V. (1605—21) zum letztenmale — und wirkungslos — das 
päpstliche Interdikt über ein ganzes Land verhängt wurde, 
führte zur Austreibung der Jesuiten (1606). In Florenz und dem 
ganzen Grossherzogtum Toskana beherrschten die Jesuiten seit 1562 den 
Beichtstuhl und die Schule. In Portugal gelangten sie rasch zur vollen 
geistlichen Herrschaft, nachdem Ignatius 1546 dem König die langerstrebte 
Staatsinquisition, zunächst gegen die zwangsweise getauften Juden, 
von derKurie.erwirkt hatte. In Spanien, von dem baskischen Gebiet 
abgesehen, fanden sie leidenschaftlichen Widerstand, insbesondere 
in Castilien, seitens des Hauptvertreters der Neoscholastik, 
Melchior Cano, der u. a. behauptete, ihre Uebungen zerrütten die Nerven und 
wirken erschlaifend, und seitens des hohen Klerus; Ignatius musste 
zugestehen, dass ohne Wissen und Willen des Erzbischofs von Toledo niemand 
in Spanien in den Orden aufgenommen werden dürfe ; die Eifersucht der 
alten Orden, insbesondere der Dominikaner, machte dem Orden 
noch lange zu schaffen. In Frankreich fand er noch zäheren Wider- 
stand, und nur der Kampf gegen die Hugenotten bestimmte 
die gallikanische Kirche, den Orden auf kommen zu lassen; im Süden 
nahm er den Kampf früh mit leidenschaftlichen Predigten und Sühneprozessionen 
auf und erklärte jede Toleranz für staatsgefährlich. Ihm durchaus abgeneigt 
zeigte sich das Pariser Parlament und die Sorbonne, die ihn als überhaupt 
mehr zur Zerstörung als zur Erbauung geeignet bezeichnete; 1561 wurde er 
durch ein Gesetz formell anerkannt, aber nur als „collège de Clermont“. Er ent¬ 
faltete hier eine erfolgreiche Schulthätigkeit und schuf eine üppige Kontrovers- 
litteratur. 
In Deutschland verfolgte der Orden von Anfang an die 
Aufgabe, den Protestantismus zu bekämpfen. Fab er gewann 
1541 in dem Niederländer Petrus Canisius (Kanis geb. 1522, f 1597), 
dem „Apostel der Deutschen“, den wirksamsten Genossen und in Otto von 
Truchsess, bald Bischof von Augsburg und Kardinal, den opferwilligsten und 
entschlossensten Bannerträger der Gegenreformation. Eingebürgert wurde der 
Orden durch Claude Jay, und zwar zunächst als Schulorden, in Bayern; 
an der Universität Ingolstadt wirkten schon 1549 Jay, Salmeron, Canisius als 
Lehrer, 1555 gründete der Orden hier ein Kollegium, ein Priesterseminar und 
eine humanistische Schule, in München 1561 ein Kollegium. Canisius erteilte 
dem bayrischen Herzog Ratschläge für die Gegenreformation; um 1575 war 
die Beherrschung der Universität, des Herzogshauses und des Landes ge¬ 
sichert. — Die bischöflich-augsburgische Universität Dillingen wurde ihnen 
1558 übergeben und immer mehr Mittelpunkt planmässiger Bekehrung und 
populärer Polemik. In der Stadt Augsburg wurde 1582 ein Jesuitengymnasium 
gegründet, in Würzburg 1567, in Fulda 1572 ein Kollegium. In Oester¬ 
reich, wo Ferdinand in ihnen das ersehnte Werkzeug sah, um einen ge¬ 
sitteten und gebildeten Klerus heranzuziehen, aber gewaltsamere Mittel der 
Gegenreformation scheute, gründeten die Jesuiten 1551 in Wien ein Kollegium 
und ein Priesterseminar ; 1556, 1562, 1566 Kollegien in Prag, Innsbruck und 
Olmütz. Sie bekamen 1585 die neugegründete Universität Innerösterreichs 
Gratz in die Hände. Von Ferdinand veranlasst, schrieb Canisius 1554 
seinen Volkskatechismus, der auf Ferdinands Befehl alsbald aus dem 
Latein in mehrere Sprachen übersetzt, und in den Niederlanden von Philipp II. 
ausschliesslich zugelassen wurde. Ein für ihn noch von Ignatius aus¬ 
gearbeitetes Programm der Gegenreformation (auch Todesstrafe 
für Lehrer und Laien) befolgte Ferdinand nicht. 
In Niederdeutschland, aus dem sich der Jesuitenorden vielfach 
rekrutierte, gelangte er weniger rasch als in Oberdeutschland zu umfassenderer
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.