Full text: Viertes, fünftes und sechstes Schuljahr (Teil 2)

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3. Dieser ist wie die ganze Pflanze mit dichten Haaren besetzt. Am 
Stengel sind diese sogar recht stark. Warum diese Haare? 
Unser Herrgott hat nichts dagegen, daß die Tierwelt bei den 
Pflanzen in Kost geht und ihren Bedarf an Futter dem Pflanzenreich 
entnimmt. Aber manche dieser Kostgänger sind so unverschämt und ge¬ 
fräßig, daß viele der wehrlosen Pflanzen in diesem erbitterten Kampf 
unterliegen müßten, wenn der Schöpfer für ihre Erhaltung nicht durch 
besondre Schutzvorrichtungen Sorge getragen hätte. 
Die Haare an Blatt und Stengel sind solche Schutzvorrichtungen 
gegen die Schnecken, denen die saftigen, weichen Blätter unsers Vergitz- 
meinnichts eben nach dem Munde sein würden. Die abstehenden, starken 
Haare aber verursachen den Schnecken Schmerz und halten die gefräßigen 
Bummler von der Blume fern. 
4. Das Vergißmeinnicht hat, wie alle ausdauernden Pflanzen, in 
der Tiefe des Bachbetts einen mehrere Jahre ausdauernden Wurzelstock 
angelegt, aus dem es jeden Lenz in erneuter Iugendschöne emportreibt. — 
Jeden Lenz auch wieder kommen die Mädchen, pflücken jubelnd die 
stille, blaue Blume und stellen den dichten Strauß in einem Glase vor 
das Bild der lieben Mutter. Auch breiten sie die blauen Sterne in 
Form eines Kranzes auf einem Teller mit feuchtem Sande aus, wo die 
Blume noch lange fortwächst und fortblüht. Ist doch das Vergißmein¬ 
nicht in seiner bescheidnen Schöne so recht die Blume der Mädchen, in 
deren Schmuck die schönste Blume fehlt, wenn die Bescheidenheit ver¬ 
loren ist. 
Am liebsten aber mag ich doch das Vergißmeinnicht am Bache. Es 
ist etwas Wunderliebes, mitten zwischen diesen stillen, schönen Blumen¬ 
kindern zu sitzen, aus denen es uns wie ein Gruß aus dem Paradiese 
anschaut; zwischen diesen stillen Himmelssternen, die uns so rührend süß 
anblicken wie blaue Kinderaugen. Stephan Neinke. 
181. Der kleine Bergmann. 
(Gekürzt.) 
1. Gewiß hast du schon davon gehört, daß der Bergmann tief unter 
der Erde arbeitet und das schöne Silber, das herrliche Gold oder das 
nützliche Eisen aus den Bergen herausholt. Ehre und Achtung diesem 
fleißigen Arbeiter, der sein Tagewerk unter viel Gefahr und großer Mühe 
treiben muß. Heute will ich dir aber von einem kleinen vierbeinigen 
Bergmann erzählen, den man Maulwurf nennt, und dessen Tisch nach 
der Arbeit immer nur im Innern der Erde gedeckt ist. Der kurze, dicke 
Bursche hat einen samtschwarzen Vergmannskittel an, der bald weißlich, 
bald bläulich schillert und wie ein Pelz behaart ist. Wenn er anfängt, 
Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. Teil II. 21
	        
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