Full text: Das Mittelalter (Teil 1)

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veränderte; indem derselbe sich zur Verlobung mit der (unmündigen) Tochter 
Philipps, Beatrix, welche die staufischen Reichsminifterialen als ihre ange¬ 
stammte Herrin betrachteten, bereit erklärte, erhielt er deren Anschluß; bald 
gewann er die allgemeine Anerkennung in Deutschland. 
Nunmehr im festen Besitz des stausischen Königtums, ward Otto IV. un¬ 
willkürlich in die Bahnen der staufischen Politik hinein gezogen. Zunächst 
freilich im Begriffe, die Kaiserkrone zu erwerben, vermied er jeden Streit mit 
dem Papsttum und erneuerte sogar die 1201 gemachten Zugeständnisse (1209)x); 
mit einem tüchtigen Reiterheere überschritt er die Alpen, rückte, ohne Wider- 
stand zu finden, nach Rom und empfing hier 1209 aus den Händen In- 
nocenz' III. die Kaiserkrone. Darauf aber begann er den Besitzstand 
des Reiches in Mittelitalien zurückzufordern und überschritt 1210, um die 
Vereinigung Siciliens mit dem Reiche wieder herzustellen, die apulische Grenze, 
während pisanische Schiffe zur Überfahrt nach der Insel Sicilien in Bereitschaft 
gesetzt wurden. In der höchsten Erbitterung schleuderte Jnnocenz III. den 
Bann gegen Otto IV. (1210), forderte die deutschen Fürsten zur Empörung 
auf und bezeichnete ihnen Friedrich (II.), den er bisher grundsätzlich, um die 
gefährliche Vereinigung der deutschen und sicilischen Krone zu hindern, vom 
deutschen Throne ausgeschlossen hatte, als König. In der Thal sagten sich 
viele Fürsten von Otto IV. los, der auf die Nachricht von diesen Vorgängen 
von der Überfahrt nach Sicilien abstand und nach Deutschland zurückkehrte. 
Nachdem Friedrich (II.) in Rom persönlich dem Papste den Lehnseid 
für das Königreich Sicilien geleistet und dadurch ausdrücklich auf die Ver¬ 
einigung des Kaiserreiches mit der sicilischen Monarchie verzichtet hatte, eilte 
er nach Deutschland. Noch hoffte Otto IV., der jetzt seine Vermählung 
mit Beatrix vollzog (1212), wenigstens die staufische Ministerialität auf 
seiner Seite zu erhalten; durch den Tod der Beatrix (1212) löste sich auch 
dies Band. Durch den glücklichen Fortgang seiner Politik gehoben, ging 
Jnnocenz jetzt daran, den Sieg des Papsttums über das Kaisertum zu 
vollenden; er forderte und erlangte von Friedrich (1213) zu Eger (in Böhmen 
a. d. ob. Eger) die offene Anerkennung dessen, was ihm von Otto IV. bisher 
in geheimen Verträgen zugestanden war (vgl. Anm. l). Im nächsten Jahre 
wurde Otto IV., der sich mit seinem Oheim, dem englischen Könige Johann 
ohne Land 2), gegen den französischen König Philipp II. August vereinigt 
hatte, von diesem bei Bouvines (in Flandern) (1214) entscheidend besiegt; 
er verlor seitdem allen Anhangs); Friedrich II. wurde 1215 zu Aachen 
gekrönt; das Gelübde des Kreuzzuges, das er am Krönungstage that, 
1) Ja, wichtige Zugeständnisse kamen hinzu, die freie Kapitelwahl der Bischöfe 
(vgl. d. Worms. Vertrag), die ungehinderte Appellation der Geistlichen nach Rom, die 
Verzichtleistung auf das Spolienrecht, d. h. das Recht auf die Einziehung des 
beweglichen Nachlasses der Bischöfe. 
2) Heinrich II., König von England, 1154—1189 
Richard Löwenherz, Johann ohne Land, Mathilde, Gem.: Heinrich der Löwe 
König von England, König von England, , v 
1189-1199. 1199-1216. Ott0 IV 2BlU,elm ^ ^ueburg 
Otto d. Knabe. Herz. v. Braunschw.-Lüneb. 
3) Otto zog sich in seine Erblande zurück; dem Throne entsagte er nicht; sein früher Tod 
(1218) machte dem Streite ein Ende. In Brauns chweig ward Otto begraben. 
Wessel, Lehrbuch der Geschichte. 8
	        
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