Full text: Bilder aus dem Weltkrieg (Teil 1)

Heiteres von den Russen in Ostpreußen. 
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meisteramt abzuliefern. Wer mit Waffen betroffen wird oder gar schießt, 
wird ebenfalls mit dem Tode durch Erhängen bestraft." F. S 
6. Stolze Antwort des Kommandanten der Feste Boyen. 
Im Weltkriege wurde überall dem Feinde mutig entgegengetreten. In¬ 
sonderheit hat sich auch die ostpreußische Festung Boyen bei Lötzen heldenmütig 
gegen die Russen verteidigt, welche sie vom 23. August bis 4. September 1914 
belagerten. Schon am 14. August forderte der Führer der russischen Kolonne 
den Kommandanten der Feste Boyen, Oberst Busse, auf, sie zu übergeben. 
In dem Schreiben hieß es unter anderem: 
„Lötzen ist schon von den Truppen der russischen Kaiserlichen Armee 
ganz eingeschlossen. Unnützlich ist eine weitere Verteidigung der Festung. Mir 
ist befohlen. Sie zu beauftragen, die Festung freiwillig uns zu übergeben; 
damit kann man vermeiden unnützliche Verluste. 
Sie haben zu Ihrer Verfügung vier (Stunden, um die unsere Be¬ 
dingungen zu überlegen. Wenn Sie nicht wollen mit dieser Bedingung zu¬ 
frieden sein, so wird man mit offener Kraft die Festung nehmen und in 
diesem Falle doch kein Stein auf Stein nicht gelassen wird." 
Auf dieses hochmütige Schreiben gab der tapfere Kommandant folgende 
stolze Antwort: 
„Ihre Aufforderung, die Festung zu übergeben, weise ich für mich und 
meine tapfere Besatzung als im höchsten Grade beleidigend zurück." — 
Die Festung Boyen hielt sich, und so wurde auch die Stadt Lötzen vor 
den Russen gerettet. F. S. 
72. Heiteres von den Russen in Ostpreußen. 
1. Wie weit ist bis Berlin? 
In einem Dorfe bei Angerburg war russische Einquartierung. Einer 
der Soldaten fand in der Wohnung des Lehrers eine große Karte mit Strichen 
kreuz und quer, die er für Eisenbahnlinien hielt. Er verfolgte die Linien mit 
dem Finger und fand nicht, was er suchte. Endlich fragte er: „Wo ist Berlin?" 
Das konnte ihm der Lehrer beim besten Willen nicht zeigen, weil die Eisen¬ 
bahnkarte nichts anderes war als die Schnittmusterbeilage einer Modenzeitung. 
Dieser einfältige Russe unterhielt sich mit seinem O.uartiergeber über 
Berlin. Alle Russen träumten bekanntlich von dem raschen Einzuge in unsere 
Hauptstadt. Man hörte häufig sagen: „Heute sind wir hier, morgen in 
Königsberg, übermorgen in Berlin." 
„Wie weit ist bis Berlin?" fragte der Russe. „Sind fünfzig Kilometer?" 
„Viel weiter!" sagte der Lehrer. 
Der Russe wurde zornig. „Ist nicht wahr, sind nicht fünfzig Kilometer, 
soll nicht sein." 
„Na, denn nicht. Sagen wir also dreißig Kilometer." 
„Sind nicht dreißig Kilometer, ist viel näher." 
„Gut, also zwanzig Kilometer. Sind Sie nun zufrieden?"
	        
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