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in den alten dacischen Gebieten sitzenden Westgoten über die Donau. Diese
wurden von Kaiser Valens als ein bundesgenössisches Volk in das römische
Reich aufgenommen (376), empörten sich aber bald, durch die Habsucht der
römischen Statthalter gereizt, gegen die Römer und durchzogen nach der sieg-
reichen Schlacht bei Adrianopel (378), in der Valens fiel, die thracischen
Gebiete. Theodosius gelang es darauf teils durch geschickte Kriegsführung
teils durch gewandte Verhandlungen etwa 382 der Bewegung Herr zu werden.
Die Westgoten blieben in Thracien angesiedelt als Verbündete des römi-
scheu Reiches bis zum Tode des Theodosius (395).
b) Die Wanderungen der Westgoten und Wandalen. Das
römische Reich wurde nach dem Tode des Theodosius endgültig in zwei Teile,
Ost- und Westrom, zerlegt und unter die Söhne des Theodosius, Arcadius
und Honorius, geteilt (395). Zu gleicher Zeit begann die erste der großen
germanischen Wanderungen, die das Innere des römischen Reiches umgebildet
haben. Die Westgoten erwählten nämlich aus dem Adelsgeschlechte der Balthen
Alarich zum Könige, brachen unter ihm aus ihren Wohnsitzen auf und durch-
zogen in den nächsten Jahrzehnten plündernd die 3 südeuropäischen Halbinseln;
nachdem sie die Balkanhalbinsel durchstreift hatten, drangen sie Anfang des
5. Jahrh. in Italien ein; 408 waren sie vor Rom, das seit Hannibal
keinen auswärtigen Feind vor den Thoren gesehen hatte, 410 plünderten sie es
3 Tage; auf dem Zuge nach Sicilien starb Alarich (410) bei Cosentia (Cosenza
am Busento im heut. Calabrien). Die Westgoten verließen darauf Italien und
zogen über Gallien nach Spanien; zuletzt kehrten sie nach Gallien zurück und
besetzten hier (419) vertragsmäßig die Gebiete zwischen der Garonne und
der unteren Loire; Tolösa (Toulouse) erhoben sie zur Hauptstadt ihres Reiches
(tolosanisches Reich).
Das römische Reich erbebte in seinen Grundfesten; denn Anfang des
5. Jahrh. war ein anderes ostgermanisches Volk, die Wandalen, nördlich von
den Alpen die Donau hinaufgezogen, hatte 406 die Rheingrenze durchbrochen
und Gallien wie Spanien durchwandert; 429 setzte König Geiserich nach
Afrika über, eroberte nach 10 Jahren Karthago und machte dies zur wanda-
tischen Hauptstadt; von hier aus unternahm er mit seinen Flotten verheerende
Raubzüge gegen alle Küsten des Mittelmeers x).
c) Die Züge Attilas. Auf den schwachen Honorius (f 423) folgte
sein Neffe Valentinian III.; mit Hilfe seines großen Feldherrn Aetius wandte
er die Hunnengefahr ab, die das römische Reich in der Mitte des 5. Jahrh.
bedrohte.
Die Hunnen waren nämlich in die von den Westgoten geräumten daci-
schen Landstriche und weiter bis nach Pannonien vorgedrungen, bedrohten aber, in
sich uneinig, zunächst die römische Macht nicht. Da einigte Attila (Etzel) 444
die Hunnen wieder und unternahm von seinem Lager aus zwischen Donau und
Theiß seine großen Plünderungszüge; nachdem er Ostrom tributpflichtig gemacht
hatte, wandte er sich 451 nach Westen; er drang über den Rhein in Gallien
I ein und war schon bis Orleans gekommen, als ihm Aetius im Bunde mit
den Westgoten entgegen trat und ihn in der großen Schlacht bei Troyes (an
d. Seine) auf den katalaunischen Gefilden (d. h. in der heut. Champagne) zurück-
1) Eine solche Raubfahrt traf 455 Rom, das 14 Tage lang ausgeplündert ward.