Full text: Lehrbuch der Geschichte für die Ober-Secunda höherer Lehranstalten

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über die Provokation in den Kapitalprocessen und 4) stimmten als die 
gesetzgebende Gewalt über die Anträge der Konsuln ab, denen der Regel 
nach ein Senatsbeschluß zu Grunde lag. 
D. Die politische Stellung der Meös. So wichtig das Stimmrecht 
für die Plebs in den Centuriatkomitien war, so verlor es für sie doch dadurch 
an Bedeutung, daß die beantragenden Konsuln ausschließlich Patricier waren; 
die Plebejer konnten günstigenfalls mißliebige Anträge ablehnen, aber 
eigene Wünsche und Forderungen durch Männer ihres Standes zur Geltung 
und Abstimmung zu bringen vermochten sie auf gesetzlichem Wege nicht. Voll- 
ständig fehlte ihnen außerdem 1) das ins conubii (vgl. S. 59), 2) das ius 
bonorum, 3) der Genuß des gemeinen Feldes (ager publicus), 4) das Recht, 
Staatspriestertümer zu bekleiden. Um diese 4 pratricischen Vorrechte sowie 
um das Recht, eigene Anträge zum Staatsbeschlusse zu erheben (das positive 
ius suffragii) entbrannte der Kampf der beiden Stände (der sogen. Stände- 
kämpf). 
3. Der Ständekampf. 
A. Z)as Streöen der Mebs nach Schutz vor den Bedrückungen 
der patricier (Tribunat und schriftliche Gesetzgebung). Infolge der verwüsten- 
den Kriege, in welche die junge Republik mit den Nachbarstaaten geriet, und 
infolge der damit verbundenen Kriegsauflagen wurde der allgemeine Wohlstand 
untergraben und verarmte insbes. die Plebs; die Strenge des Schuldrechts, 
die sogar Privatschuldknechtschaft zuließ, führte endlich zum Aufstand 
wider "die Patricier; in der Absicht, eine neue Stadt zu gründen, besetzten die 
Plebejer am rechten Ufer des Arno (eines linken Nebenflusses des unteren Tiber) 
einen Hügel (secessio plebis in sacrum montem) und kehrten erst 
nach der Bewilligung von Schutzobrigkeiten (tribuni) nach Rom zurück (494); 
die Tribunen waren unverletzlich (sacrosancti) und hatten das Recht, durch 
ihr persönliches Einschreiten (intercessio, das Einlegen des Veto) die einzelnen 
Plebejer, die ihre Hilfe begehrten, gegen die Übergriffe der patricischen Beamten 
zu schützen. Aus diesem ius auxilii entnahmen die Tribunen bald das Recht, 
gegen ganze Regierungsmaßregeln einzuschreiten; sie beriefen ferner Versamm- 
hingen der Plebs und ließen hier über deren Angelegenheiten Beschlüsse fassen 
(plebiscita) und die Neuwahl der Tribunen vornehmen. 
Die innere Einheit des Staates war freilich durch die Rückkehr der Plebs 
nicht begründet, vielmehr war der positiven Macht der Konsuln die negative 
der Tribunen, dem absoluten Befehlen das absolute Verbieten entgegengesetzt. 
Wie 2 Völker standen die 2 Stände einander gegenüber, deren Fnedensbund 
(foedus) deshalb auch unter Mitwirken der Fetialen hergestellt worden war, und 
wie nach dem damaligen völkerrechtlichen Grundsatz der das foedus Verletzende 
der Gegenpartei ausgeliefert ward, so wurden in Rom die, welche den öffent- 
lichen Frieden brachen, den Gegnern übergeben. Zahlreiche Patricier mögen in 
den nächsten Jahren, um sich der Bestrafung zu entziehn, in die Verbannung 
gegangen sein und sich mit den auswärtigen Feinden verbunden haben, wie dies 
die Überlieferung von Cn. Marcius Coriolanus berichtet. 
Die l. lex agraria. Mit der Errichtung des Tribunats war der 
leiblichen Not der Plebs nicht gesteuert; daher forderte der Konsul Spurius 
Cassius, wie es scheint, ein Mann mit höheren Gesichtspunkten, für das
	        
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