Dritter Abschnitt.
Von der französischen Revolution bis aus unsere
Zeiten.
(1789—1877.)
§. 117.
Die Ursachen der Revolution.
Wie im Anfang des 16. Jahrhunderts durch das Verderbniß
der Kirche die Reformation, so wurde am Ende des 18. durch das
Verderbniß des gesellschaftlichen Zustaudes eine Revolution hervor-
gerufen, die sich von Frankreich aus, da alle Länder an denselben
Nebeln litten, über den größten Theil Europas ausbreitete und die
Umwandlung der meisten (aus dem Feudalwesen hervorgegangenen)
absoluten Monarchieen in co nstitutionelle Staaten zur
Folge hatte.
In Frankreich war ans Ludwig XIV. (§. 104) sein fünfjähriger
Urenkel Ludwig XV. 1715—1774) gefolgt. Schon unter des ver-
worfenen Herzogs von Orleans vormundschaftlicher Regierung war
der Hof der Sammelplatz von Sittenlosigkeit und Ausschweifungen
(Dnbois); nach dem Regierungsantritt des elenden, von Weibern be-
herrschten Königs nahm das sittliche Verderben und die Verschwen¬
dung noch zu. Die Finanzen waren zerrüttet (Schuldenlast von 4000
Millionen); das Volk seufzte unter drückenden Auflagen; der Adel
hatte alle Kriegs- und Hofämter, und behauptete nebst der Geistlich-
keit unter anderen Vorrechten das der Selbstbesteuerung. Während
der allgemeinen Roth und des zunehmenden Despotismus (geheime
Polizei, lettres de cachet) untersuchten geistreiche Schriftsteller die
Rechte des Volkes gegen die Fürsten, und verbreiteten Unzufriedenheit
mit den bestehenden Staatseinrichtungen und republikanische Ansichten
und Wünsche (Rousseau, f 1778).
Unter Ludwig XVI. (1774 — 1793), einem sittenreinen und
verständigen, aber kraftlosen Fürsten, wurde bei der zunehmenden
Verbindung mit Nordamerika das Streben nach gesetzlicher Freiheit
immer allgemeiner. Da der Krieg mit England die Nationalschuld