Full text: Grundriß der Weltgeschichte für Gymnasien und Realschulen

Athen. 29 
Im Jahre 594 gab Solon, als erster Archont, den Athenern 
Gesetze, um die Bedrückungen der ärmeren Bürger durch die reichen 
Grundbesitzer abzustellen, das Schuld- und Abgabenverhältniß zum 
Vortheil der ersteren zu ordnen und die feindlichen Parteien zu 
versöhnen. 
Die Bevölkerung Attika's zerfiel nach der alten ionischen Einteilung in 
drei Klassen: Eupatriden, adlige Grundeigentümer; Geomoren, zins- 
Pflichtige Ackerbürger und Pächter; Demiurgen, Gewerbtreibende. Nach 
Aufhebung der königlichen Würde ging die Herrschaft an die erste Klasse 
über; als aber die andern Klassen wohlhabender wurden undAntheil ander 
Regierung verlangten, entstanden viele Unruhen, '.n denen sich die Parteien 
der Pediäer, Paraler und Diakrier bildeten. Solon wußte in dieser Ver- 
wirrung dem Staate eine Verfassung zu geben, welche den Grund zu der 
schnellen EntWickelung Athens gelegt hat. Nachdem er die grausamen Gesetze 
des Draco abgeschafft, die Schulden der ärmeren Bürger ermäßigt, den Münz- 
Werth herabgesetzt und die persönliche Freiheit des Schuldners und seiner 
Familie gesichert hatte (Seisachthie), theilte er das Volk nach dem Vermögen 
in vier Klassen und bestimmte nach dem steuerbaren Grundbesitz die Abgaben 
an den Staat und die Berechtigung zur Theilnahme an der Regierung. Die 
erste Klasse bildeten die Pentacosiomedimner (die großen, meist eupatridischen 
Grundbesitzer mit einem jährlichen Ernteertrag von 500 Scheffeln Gerste 
oder dem entsprechenden Maß von Oel und Wein), die zweite die Triacosio- 
medimner oder Ritter (welche wenigstens 300 Medimuen gewannen und ein 
Sireitroß halten konnten), die dritte die Zeugiten (welche bis 150 Scheffel 
trocknen oder flüssigen Ertrag jährlich hatten), die vierte die Thetes, welche 
weniger einnahmen. Die Bürger der vierten Klaffe waren steuerfrei und nicht 
zum regelmäßigen Kriegsdienst verpflichtet, konnten aber auch zu keinem 
Amte gelangen; die übrigen dienten als Reiter und Schwerbewaffnete. Die 
Erziehung blieb dem Einzelnen überlassen; doch unterhielt der Staat öffent- 
liche Gymnasien. Mit dem achtzehnten Jahre wurde der Jüngling in eine 
Phratrie eingeschrieben, und mit dem zwanzigsten konnte er alle Bürgerrechte 
ausüben. Die in Athen Handel und Gewerbe treibenden Fremden hießen 
Metöken; sie durften keinen Grundbesitz erwerben, besaßen keine bürgerlichen 
Rechte, wurden aber zu allen Staatslasten herangezogen. Vor Gericht mußten 
sie sich durch einen politisch-juristischen Vormund (ngoGTÜrrig) vertreten 
lassen. Eine bevorzugte Klasse der Metöken (Insassen) waren die Jsotelen; 
bei ihnen fiel das Schutzgeld (fiero(xiov) und der Vormund weg, dagegen 
hatten sie meist nicht das Recht des Grundbesitzes (tyxrrioiv). Alle niederen 
Arbeiten wurden von verkäuflichen Sklaven verrichtet. 
Die höchste Staatsgewalt übte die Volksversammlung (txxfoiofa), zu 
welcher jeder athenische Bürger Zutritt hatte. Sie gab Gesetze, entschied über 
Krieg und Frieden, richtete über Staatsverbrechen, wählte die Beamten und 
bestimmte die Abgaben. Einen stehenden Ausschuß der Volksversammlung 
bildete der Rath der Vierhundert (ßovkri), welcher die öffentlichen An- 
gelegenheiten verwaltete, Alles, was vor das Volk gebracht werden follte, 
vorbereitete und in der Volksversammlung den Vorsitz führte. Die Mitglieder
	        
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