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Das siebenzehnte Jahrhundert. 
§. 702. 
in seinen Erblanden. Die zwiettächtigen Protestanten waren theils besiegt, theils 
gewonnen, theils eingeschüchtert; im Kurfürstencollegium waren seit Maximilians 
Erhebung fünf Katholiken gegen zwei laue Protestanten (Sachsen und Branden¬ 
burg). Hätte der Kaiser die Hand zur Versöhnung geboten, so wäre HabsburgS 
Macht in Deutschland größer gewesen als je. Aber Ferdinands religiöse Be¬ 
fangenheit stand einer großartigen Politik im Wege. Sein Sieg sollte zugleich 
der Triumph des Katholicismus über die ausgeschiedenen Consessionen sein; darum 
wurden in Böhmen und Oesterreich die Gewaltschritte gegen die Ketzer immer 
härter und nur schleunige Flucht mit Verlust der Habe vermochte den standhaften 
Protestanten vor dem Besuche der Messe zu retten. Aehnlich verfuhr Maxi¬ 
milian in der ihm vom Kaiser zuerst als Lehn, dann erb« und eigenthümlich 
überwiesenen Ob er Pfalz, und selbst in dem Theil der Unterpfalz, der als 
Kostenersatz ihm einstweilen zugetheilt worden, trieben die Jesuiten ihr Bekehrungs¬ 
werk. Dem Norden drohte ein ähnliches Verfahren, seitdem Wallen sie in 
durch kaiserliche Belehnung das Herzogthum Mecklenburg mit Rostock 
erhalten und nach dem Siege bei Wolgast über den Dänenkönig dasselbe 
durch Eroberung der Pommern'schen Ostküste zu erweitern trachtete. Das 
Beispiel des Herzogs von Pommern, der sein Land den verheerenden Truppen 
des Friedländers einräumen mußte, und des dem Kaiser bisher treuergebenen Kur¬ 
fürsten von Brandenburg, in dessen Staaten ebenfalls kaiserliche Besatzung 
gelegt wurde, schreckte alle protestantischen Fürsten. Es war nicht zu verkennen, 
daß Wallenstein die kaiserliche Machtvollkommenheit der bisherigen Schranken zu 
entkleiden und die uralten Landesselbständigkeiten zu unterdrücken suchte. Die 
Verfassung des Reichs wie die Hoheitsrechte der Fürsten wurden wenig geachtet. 
Und als nun gar der herrschsüchtige Feldherr, dem der dankbare Kaiser auch den 
Oberbefehl zur See verliehen, Anstalten traf, an dem baltischen Meer eine 
deutsche Seemacht zu gründen, um die Feinde des Kaisers vom Ostseehandel 
auszuschließen, und zu dem Zweck sich aller Küsten- und Hafenstädte zu bemäch¬ 
tigen suchte, als er den Jesuiten, welche die Uebertragung Mecklenburgs an den 
Herzog bewirkten, „weil sie zum Nutzen der katholischen Religion gereiche", in 
ihrem Bekehrungseifer freie Hand ließ, da geriethen nicht nur die Hanseaten und 
alle Ostseestaaten, sondern auch die Niederländer und Engländer in die größte 
Besorgniß. 
§. 702. Das Restitutionsedict und Wallensteins Absetzung. 
In dieser Noth gab Stralsund ein erhebendes Beispiel von Vaterlandsliebe 
und Heldenmuth. Standhaft weigerte sich die Bürgerschaft, friedländische Be¬ 
satzung in ihre Mauern aufzunehmen. Da rückte Wallenstein mit seinen furcht¬ 
baren Kriegsschaaren vor die Stadt und schwur, wie man sich erzählte, er müsse 
sie erobern und wäre sie mit Ketten an den Himmel gebunden. Aber alle 
Stürme scheiterten an der festen Lage und an dem Heldenmuth der Bürgerschaft, 
die geschworen hatte. Gut und Blut hinzugeben für die Erhaltung der Religion 
und der alten Rechte und Freiheiten. Von Dänemark und Schweden unterstützt, 
letzte Stralsund zehn Wochen lang allen Stürmen; 12,000 Menschen opferte 
der kaiserliche Feldherr umsonst. Es war das letzte Auflodern des freien hansea¬ 
tischen Bürgergeistes. An ihrem Heldenmuth empfing die vordringende katholische
	        
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