Contents: (Achtes und neuntes Schuljahr) (Teil 4 für Kl. 2 u. 1)

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aufbewahrt hatte. Die Frau Professor aber bewunderte die schönen 
Läden, die doch ganz andere Herrlichkeiten aufwiesen als die ihres 
thüringischen Heimatstädtchens; sie freute sich über die schönen 
Kleider der reichen Kaufmannsfrauen und nicht minder über die 
niedrigen Preise von Kaffee, Zucker, Reis und anderen Kolonial¬ 
waren. Denn infolge der Zölle und Wegegelder, der schlechten 
und langsamen Verbindungen waren fast alle diese Waren in Mittel¬ 
deutschland doppelt so teuer als in Norddeutschland. Und um doch 
wenigstens einen Nutzen von diesen mäßigen Preisen zu haben, 
kaufte sie ein Säckchen Kaffee, um es — natürlich unverzollt — 
nach Hause zu bringen und dann ihre Freundinnen mit dem billigen 
Einkäufe zu ärgern. Der Herr Professor war bei dem Handel nicht 
zugegen gewesen; als er aber erfuhr, daß seine Frau das Säckchen 
Kaffee im Wagen verstecken wollte, war er darüber sehr ungehalten 
und verlangte, daß der Handel rückgängig gemacht würde. Die 
Frau Professor versprach es auch. 
Ohne Sorgen bestieg daher der Herr Professor seinen Kutsch¬ 
wagen, um die Heimreise anzutreten; auch die Frau Professor nahm 
in fröhlichster Stimmung im Wagen Platz, und die Reise ging fort. 
Da der Herr Professor in Gottingen einen Kollegen hatte, mit 
dem er befreundet war, so wurde diese berühmte Universitätsstadt 
zunächst als Reiseziel gewählt. 
Nach einigen Stunden standen die Reisenden an der hannover¬ 
schen Grenze vor einem Zollhause. Ein Beamter trat an den Wagen¬ 
schlag und sagte: „Haben die Herrschaften etwas Zollbares?" Der 
Herr Professor sprach mit Gewissensruhe „nein", während die Frau 
Professor leicht errötete. „Ich muß Sie bitten, auszusteigen, der 
Wagen muß untersucht werden," begann der Beamte wieder. 
Willig stiegen die Insassen aus, der Beamte in den Wagen, 
aber ebenso schnell kam er wieder heraus. „Es war dies meine 
Pflicht," sagte der höfliche Hannoveraner, „reisen Sie glücklich," 
fügte er hinzu. Ohne Aufenthalt ging die Reise weiter. Andern 
Tages standen die Reisenden vor einem Schlagbaum von Bückeburg. 
Dort spielte sich eine ähnliche Untersuchung ab, die aber ebenso 
glücklich verlief. Mit unendlicher Seelenruhe stieg der Herr Professor 
wieder in den Wagen, während um die Lippen der Frau Professor 
ein siegesfrohes Lächeln spielte. 
Es dauerte keine zwei Stunden, so hielten die Reisenden vor
	        
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