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friedliebend insofern, als niemand da ist, der ihm im Kampfe gewachsen
wäre. Er weiß ja auch, daß es denjenigen, die am besten zum Kriege
gerüstet sind, am ehesten möglich ist, im Frieden zu leben. Natürlich
ist er zugleich ein Freund der Getreuen und ein Bürgerfreund und ein
Soldatenfreund . . .
Wenn ich sodann, um von vielem anderen zu schweigen, das augen¬
fälligste Kennzeichen eines guten Königs hervorheben soll, so ist es das,
daß wackere Männer ohne Scheu vor Mit- und Nachwelt ihn loben.
Und fürwahr, auch er selbst liebt das Lob, freilich nicht das von ge¬
meinen Krämern, sondern das von edeln und freien Männern kommende,
für die das Leben seinen Wert verlöre, wenn sie sich einer Lüge
schuldig gemacht hätten. Wer möchte nun einen solchen Mann und
ein solches Leben nicht glücklich preisen, und von wannen kämen da
nicht Leute, um ihn zu sehen und von seiner edeln und trefflichen
Denkweise Gewinn zu ziehen? Gibt es ein erhabeneres Schauspiel als
einen edeln, arbeitsfrohen König? Gibt es etwas Entzückenderes als
einen milden, leutseligen Herrscher, der allen wohltun will und allen
wohltun kann? Gibt es etwas Segensreicheres, als einen billig denken¬
den Herrn? Wer hat ein sichereres Leben als der, den alle ohne Unter¬
schied beschützen? wer ein angenehmeres als derjenige, welcher in
niemand einen Feind sieht? wer ein ungetrübteres als derjenige, welcher
sich nichts vorzuwerfen hat? und wer ist glücklicher als der Mann,
dessen Vortrefflichkeit keinem verborgen bleibt?
39. Die drei Hauptverfassungsformen und deren Abarten.
Aus: Dion Chrysostomos III. Über das Königtum C.
Mit „Regierung“ wird die gesetzmäßige Lenkung der Menschen und
Fürsorge für dieselben bezeichnet, mit „Königtum“ die unverantwort¬
liche Regierung bezeichnet, bei der das Gutbefinden des Königs Gesetz
ist. „Tyrann“ und „Tyrannis“ bezeichnet im Gegensatz zu diesen Re¬
gierungsformen die gewalttätige und widergesetzliche Behandlung der
Menschen von seiten dessen, der sich die höhere Macht beilegt. Es
gibt nämlich drei Regierungsformen — dies sind die hervorragendsten —
welche nach Gesetz und Recht unter dem Beistand eines guten Genius
und des entsprechenden Glückes zustande kommen. Dabei gehört die
eine, welche die erste und am meisten geeignet ist, gut auszuschlagen,
und von der jetzt die Rede ist: wenn ein Staat oder mehrere Völker
oder alle Menschen durch die Einsicht und Tugend eines tüchtigen
Mannes regiert werden. Die zweite ist die sogenannte Aristokratie,
wo weder einer noch viele, sondern eine kleine Anzahl von „Besten“
an der Spitze steht, schon weiter entfernt von dem Ideal der Macht
und des allgemeinen Wohls, woran, wie mir scheint, auch Homer ge¬
dacht hat, wenn er sagt:
Vielherrschaft taugt nimmer im Volk; ein König gebiete,
Einer allein, dem Kronos’ verschlagener Sohn es verliehen!