Full text: Das illustrirte Lesebuch für Schule und Haus

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Xffl. Einige großartige Bauwerke der Vorzeit. 
Die dritte Pyramide reizt selten die Aufmerksamkeit der Reisenden, weil ihre Masse 
nichts Auffallendes, ihre Form nichts Merkwürdiges hat, wie bei den vorhergehenden. 
Ehedem war sie aber durch ihre Schönheit, den Glanz imb die Schönheit der sie bcklei- 
denden Steine berühmt. Anstatt des rosenrothen Granits, den man noch auf der Spitze 
der zweiten sieht, bediente man sich zu dieser des schönen, dunkelgrünen Jaspis aus Aethio- 
pien, wie uns Plinius erzählt, und wie uns noch die Bruchstücke, welche man rund herum 
zerstreut findet, bezeugen. 
Man schreibt diese Pyramide dem Mycerinus zu, jenem tugendhaften König, wel¬ 
cher glaubte, daß seine Asche in diesem niedrigen Denkmale, begleitet von den Segens¬ 
wünschen seines Volkes, ruhiger liegen würde, als die seiner Vorfahren in den zwei 
anderen. Grobert hat sie gemessen, und nach ihm beträgt die Breite ihres Grundes 
262 Fuß. 
115) ,,Nachdem wir," fährt Olivier in seiner Schilderung fort, „noch-einige Zeit 
lang die um dieses Monument liegende Gegend, blos in Begleitung von zwei Arabern, 
betrachtet hatten, kehrten wir unsern vorigen Weg wieder zurück, um die Sphinr zu besu¬ 
chen und um uns zu unseren Reisegefährten zu verfügen, die unserer daselbst warteten." 
„Die kolossale Sphinr (s. die Abbild. S. 249), bei der wir endlich wieder 
ankamen, hat, wie Volney bemerkte, die Züge einer äthiopischen Figur. 
Der Kopf ist noch sehr gut erhalten, aber der Hals und der Anfang der Schultern sind 
desto mehr zerstört. Bei Betrachtung der feinen Beschaffenheit des Steins, welcher fast 
von eben der Art ist, wie in den Pyramiden und in allen lybischen Felsen, muß man 
wirklich erstaunen, daß der Kopf in noch so gutem Zustande ist; es scheint aber, als hätte 
er seine Erhaltung einer Lage von gelbbrauner Farbe zu verdanken, womit man ihn über¬ 
zogen, und die sich noch sehr wohl erkennen läßt. 
Der nach Westen hin liegende Rücken steigt, nur einige Fuß hoch über den ihn 
umgebenden Sand empor. Er hat mehr als hundert Fuß Länge, und der Kopf mehr als 
25 Fuß Höhe. Die kolossalen Verhältnisse dieser Riesenstatue lassen sich aus der Größe 
der auf ihrem Kopse stehenden und mit dessen Messung beschäftigten Figuren auf dem bei¬ 
gefügten Bilde leicht beurtheilen. Der obere Theil des Kopfs hat ein Loch von 15 Zoll 
im Durchschnitt und 9 Fuß Tiefe; die Richtung desselben geht etwas schräg, es scheint 
mit hineingeworfenen Steinen angefüllt zu sein. Die älteren Schriftsteller sind hinsichtlich 
des Zweckes dieses Loches nicht mit einander einverstanden; einige halten es für die Oeff- 
nung eines Brunnens, welcher mit einem Brunnen in der großen Pyramide in Verbindung 
gestanden; Andere glauben, daß durch dasselbe der Leichnam des Amasis, eines ägypti¬ 
schen Königs, in dem Schooße dieses Ungeheuers beigesetzt worden; noch Andere meinen, 
daß die Priester durch dasselbe Orakelsprüche ertheilten, um den unwissenden Pöbel zu 
leiten oder zu täuschen. Ebenso wenig ist man über die Bestimmung der Sphinr selbst 
einig. Olivier bemerkt in dieser Hinsicht unter Anderm, sie habe vielleicht dem Volke als 
ein Symbol gedient, welches die Epoche des Jahres, wo der Nil aus seinen Ufern auf
	        
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