Full text: Das Altertum (Teil 1)

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2. Das Cnde des Sokrates und die griechische Philosophie. 
In der jetzt folgenden Zeit innerer Ruhe besann man sich aus das 
überstandene Unglück und forschte nach seinen Ursachen. Manche sahen 
den Beginn des Niederganges in den zu weit gesteckten Zielen der 
attischen Seeherrschaft; viele schoben aber auch die Schuld auf die frühere Anklage und 
sophistische Aufklärung und Gottlosigkeit, so daß der Fall Athens ihnen als beS Sokrates, 
Strafe der Götter erschien. Ein Opfer dieser Reaktion wurde der wahr- 399 
Haft weise und sittenstrenge Sokrates, sür den die Tugend ein lehrbares 
Wissen war. Sein Hinweis auf das Göttliche im Menschen, den 
mahnenden Dämon (Gewissen), bewirkte jetzt, daß man seinen Glauben 
an die Götter Athens in Zweifel zog. Sein geschicktes Frage- und 
Antwortspiel (Somatische Methode) brachte ihn, wie 2 Jahrzehnte vor¬ 
her in der Komödie des Aristophanes, in den Verdacht der Sophisterei, 
und Schüler wie Kritias und Alkibiades schienen manchem Beweis genug, 
daß er die Jugend verderbe. Auch hatte er sich dadurch manche Feinde 
gemacht, daß er in politischen Dingen offen den Tagesgrößen entgegen- 
getreten war. Er schätzte spartanische Einfachheit und geißelte die athe- 
nifche Genußsucht und Bestechlichkeit. Am schlimmsten aber verletzte der 
Zur Aristokratie hinneigende Philosoph die Demokraten durch seine For- 
dernng, daß ein Staatsmann auch viel wissen müsse von Staat und 
Politik; das mußte manchen durchs Los zum Staatslenker beförderten 
Handwerker verdrießen. So konnte es nicht fehlen, daß eine Anklage 
wegen Unglaubens und Verführung der Jugend Erfolg hatte, wenngleich 
man nur den Politiker Sokrates vernichten wollte. Der siebzig- 
jährige Greis wurde zum Tode verurteilt; er trank ruhig im Vertrauen 
aus die Unsterblichkeit der Seele den Schierlingsbecher (399). 
Das athenische Volk, das die meisten großen Männer mit Undank 
belohnte, tötete in Sokrates seinen größten Bürger, der nach seinen 
eigenen Worten vor Gericht statt des Todes die höchste Ehre, die lebens- 
längliche Speisung im Rathaus, verdient hätte. Doch lebte Sokrates. $eg0uttr""e® be§ 
ohne daß er selbst seine Lehre niedergeschrieben hätte, fort in den Schriften 
seiner Schüler und Nachfolger, vor allem des Geschichtsschreibers Xenophon 
und des Philosophen Pläton. 
Alle Schüler des Sokrates hielten die Vernunft für die Quelle 
und den Maßstab der Sittlichkeit. Die Vernunft macht das Wefen des 
Menfchen aus; vernunftgemäß ist daher gleich naturgemäß und sittlich. 
Der Weise aber sieht die Eitelkeit des Lebens ein und ist daher bestrebt, 
die unfrei machenden Gefühle zu unterdrücken und möglichst bedürfnislos, 
d. h. glücklich zu leben. Man nannte diese Philosophen nach ihrem Zyniker und 
Versammlungsort, dem Gymnasium Kynosarges bei Athen, Kyniker <2t0lfcr
	        
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