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Aristoteles aus Stageira in Thrazien (f 321) ist der größte
Gelehrte^es^Ultertnms. In jungen Jahren kam er nach Athen und
wurde Platons Schüler und später nach verschiedenen Schicksalen
Alexanders d. Gr. Lehrer. Nach dessen Regierungsantritt kehrte er nach
Athen zurück und lehrte wandelnd in den Säulengängen (Peripatoi) des
Lykeions (Lyzeums), weshalb man ihn und seine Schüler Peripatetiker
nannte. Er war wohl bewandert in Zoologie und Botanik, jtt
seiner Poetik legte er vor allem tiefgründig das Wesen der Tragödie
dar, FM selbst ein so kritischer Geist wie Lessing die Abhandlung Mieles
noch sür grundlegend hielt. Er behandelte den Staat, dessen Dasein Peripateuker.
ihm eine notwendige Folge der Natur des Menschen als eines Gesell-
schastswesens ist, in der „Politik" und in den „Staatsverfas¬
sungen"; von letzteren ist uns der „Staat der Athener" teilweise er¬
halten. Indem Aristoteles den von Sokrates gewiesenen Weg einer Unter-
suchung des richtigen Denkens beschritt, wurde er der Begründer der Logik.
Plato hatte den Sinnen nicht getraut, da er nur die Ideenwelt
sür wirklich hielt: er hatte seine Lehre nur auf der Vernunft oder dem
Denken ausgebaut (Rationalismus). Aristoteles, der tüchtige Kenner der
Natur und des Lebens, baute aus der breiten Grundlage ersahrungs-
mäßiger Wirklichkeit die Pyramide seines philosophischen Systems aus,
deren höchste Spitze der eine Gott ist1). Er unterscheidet zwischen Stoff
und Form. Wenn der Stoff eine der vielen möglichen Formen tatsäch-
lich annehmen soll, so muß erst eine bewegende Ursache die gerade be-
zweckte Form bewirken. Aus Bauholz kann ein Haus hergestellt
werden; eine solche Form erhält das Holz in Wirklichkeit erst durch den
Architekten. In diesem Beispiele ist also die mögliche Form des Hauses
nur ein Begriff, der platonischen Idee zu vergleichen. Erst durch eine
Bewegung, ein Werden entsteht aus Stoff und Form das wirkliche
Einzelding. Stoff und Form verhalten sich demnach zu einander wie
Wirklichkeit zur Möglichkeit. Die niederen Dinge bilden den Stoff der
höheren; aus dem Samenkorn wird der Baum, der Baum wird zu Bau-
holz verarbeitet, und mit dem Bauholz errichtet man das Haus. Am
Ansang und Ende dieser Stusensolge stehen also bloßer Stoff und reine
Form. Der allen zugrunde liegende Stoff ist ohne Form ein Nichts,
die Form ohne Stoff ein Begriff, eine Idee.
In der ganzen Natur herrscht Zielstrebigkeit. Die Dinge, dem
Stoff nach gleich, unterscheiden sich -nur durch die Form, die mithin Ziel
und Zweck aller Entwicklung ist. Diese Entwicklung aber geht vor sich
l) Empirismus.