Full text: Römische Geschichte (H. 2)

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Tiber aussetzen. Es war aber zu der Zeit die Tiber gerade ausgetreten; 
die Mulde gelangte daher nicht in den Strom und blieb endlich, als 
das Wasser sich verlief, an der Wurzel eines wilden Feigenbaumes 
hängen; das war der Ficus Ruminalis, der viele Jahrhunderte 
am Fuß des palatinischen Hügels erhalten und heilig blieb. Hier 
säugte eine Wölfin, das dem Mars geheiligte Tier, die Kinder, bis 
ein Hirt der königlichen Herden, Faustulus, sie fand und sie seiner 
Frau Acca Larentia zur Pflege übergab. Auf dem Palatinus 
unter den Hirten wuchsen Romulus und Remns auf und wurden 
die rüstigsten und streitbarsten unter ihren Genossen. Sie hatten 
viele Händel mit den anderen Hirten und waren weithin gefürchtet. 
Da geschah es einmal bei einem solchen Streit, daß Remus von 
den Hirten des reichen Nnmitor gefangen und als Räuber nach 
Alba geschleppt wurde. Nun entdeckte Faustulus dem Numitor die 
Herkunft der Jünglinge, und Romulus mit seinen Genossen eilte 
nach Alba, erschlug den Amnlius und gab dem Großvater die Herr- 
schaft zurück. 
Romulus und Remus blieben nicht in Alba; sie wollten eine 
Stadt gründen an dem Ufer der Tiber, wo sie ausgesetzt und auf- 
gewachsen waren. Aber die Zwillinge gerieten in Streit, wer von 
ihnen der neuen Stadt den Namen geben und über sie herrschen 
sollte. Sie überließen die Entscheidung den Göttern. Als nun Ro- 
mulus auf dem Palatinus und Remus auf dem Aventinus nach 
günstigen Götterzeichen ausschauten, da erschienen zuerst dem Remus 
sechs Geier; als aber dies günstige Zeichen dem Romulus gemeldet 
wurde, flog diesem ein Zug von zwölf Geiern vorüber. Das Recht 
entschied für Remus, aber Romulus pochte auf die doppelte Zahl 
seiner Geier; es kam zu einem Handgemenge, und Remus' schwächerer 
Anhang unterlag. Also gründete Romulus aus dem Palatinus die 
Stadt und nannte sie nach seinem Namen Roma, und als Remus 
höhnend über die niedrige Mauer sprang, da erschlug ihn der Bruder 
zum Wahrzeichen, daß diese Mauer niemand übersteigen werde außer 
sich zum Verderben. 
Die neue Stadt füllte sich bald mit Männern; denn Romulus 
hatte ein Asyl errichtet, in dem alle Aufnahme fanden, die um irgend 
einer Ursache willen ihr Vaterland meiden mußten. Aber es fehlte 
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