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Das Reich von 1440 bis 1517.
§93.
Der Kaiser u. Ein entschiedener Gegner der Verfassung war Maximilian selbst; denn
die Reform. jje hatte aße Gewalt in die Hände der Reichsstände gelegt und dem
Könige nur wenig übrig gelassen. Der gemeine Pfennig wurde von ihnen
beschlossen und erhoben, das Reichsheer von ihnen bewilligt und seine
Verwendung an ihre Vorschriften gebunden. Am verhaßtesten war dem
Kaiser das Reichsregiment, das aus zwanzig Mitgliedern bestand und
in der Gesetzgebung und Verwaltung eine so große Fülle von Befugnissen
erhielt, daß seine Einsetzung einer Absetzung des Königs gleichzukommen
schien. Zwischen dem Regiment und Maximilian kam es daher zu heftigen
Zerwürfnissen; da der Kaiser seinen Willen durchsetzte, löste es sich bald
wieder auf.
Post. Die Post, die bald nach 1500 Franz von Taxis zur Beförderung
der Staatskorrespondenz zwischen Brüssel und Wien eingerichtet hatte, wurde
1516 allgemein dem Publikum zum Zwecke regelmäßiger Übermittelung von
Nachrichten zugänglich gemacht.
Maximilians Wenig glücklich war Maximilian in seiner auf Italien gerichteten aus-
°u-wäruge bärtigen Politik.
Hier hatte zunächst nach dem Aussterben des Hauses Anjou (1435)
Alfons V. von Aragon Neapel erobert. Im Verlaufe jahrzehntelanger Wirren,
die nach seinem Tode eintraten, hatte Karl VIII. von Frankreich als Ver-
wandter der Anjons Ansprüche erhoben und das Land in raschem Sieges-
laufe erobert (1495). Einem Bunde, den hierauf der Papst, Venedig und
Ferdinand von Aragon gegen ihn schloffen, trat auch Maximilian bei. Vor
dem Bunde dieser Mächte wich Frankreich zunächst zurück; bald aber versuchte
Karls Nachfolger Ludwig XII., im Bunde mit Ferdinand zum Ziele zu
kommen. Nach gemeinsamer Eroberung Neapels entzweiten sie sich jedoch,
und da die französischen Truppen unterlagen, ging Neapel in den Besitz Ferdi-
nands über. Andrerseits besetzte Ludwig das Herzogtum Mailand, wo er
als Nachkomme einer Visconti Erbrechte gegen die Sforza geltend machte.
Während also bei Beginn des 16. Jahrhunderts Frankreich in Mailand und
Spanien in Uuteritalien herrschten, richtete Maximilian sein Augenmerk auf
den an seine Erblande grenzenden festländischen Besitz von Venedig. Da
die Venezianer um seine Pläne wußten, sperrten sie ihm. als er die Alpen
überschritt, um zur Kaiserkrönung nach Rom zu ziehen, die Tridentiner Pässe
und vereitelten seine Reise. Er mußte sich mit dem von ihm selbst geschaffenen
Titel eines „erwählten römischen Kaisers" begnügen. Hierauf schloß er sich
einem Bunde (der „Heiligen Liga") an, den Papst Julius II. mit Venedig,
der Schweiz, Spanien und England (Heinrich VIII.) zur Vertreibung der
Franzosen aus Italien zustande brachte. In der Tat mußten diese nach
einer Niederlage, die ihnen die Schweizer (bei Novara, 1513) beibrachten,
Italien räumen; durch den glänzenden Sieg über die Schweizer bei Marv
gnano (1515) eroberte jedoch Ludwigs Nachfolger Franzi. (1515—1547)
Mailand zurück.
Auf diesem Punkte waren die italienischen Verhältnisse angelangt, als
Maximilians Enkel Karl V. mit dem Erbe seiner österreichischen und spanischen
Vorsahren auch ihre Ansprüche auf Italien übernahm.