128 Napoleons Sturz. § 77.78
ihm auferlegt hatte, Vergeltung zu üben. Preußen stellte an Linientruppen,
Landwehr und Freiwilligen Jägern ungefähr 270000 Mann ins Feld,
das bedeutete bei einer Bevölkerung von 5 Millionen je einen Streiter
auf 18 Seelen; aber es fehlte an Uniformen, Waffen und Geld. Ohne
englische Subsidien konnte daher trotz aller Opferfreudigkeit, mit der von
allen Seiten Gaben dargebracht wurden, ein großer, lange dauernder
Krieg nicht geführt werden. Die Sänger der Freiheit riefen in jenen
Frühlingstagen zu dem heiligen Kampfe auf: Arndt, Schenkendorf,
Rückert und -Theodor Körner. Heinrich von Kleist, der die öfter-
reichische Erhebung 1809 mit seinen Liedern begleitet hatte, erlebte diese
Tage nicht mehr; er hatte sich 1811 erschossen.
Die ersten § 78. Der Frühjahrsfeldzug. Nachdem schon im Februar die Kosaken
Kämpfe. Berlin vorgedrungen waren, wurde die Stadt Anfang März von den
Franzosen geräumt. Die Herzöge von Mecklenburg sagten sich vom
Rheinbunde los, während Tettenborns Kosaken in Hamburg einrückten.
Bald darauf besetzte das Hauptheer der Russen (unter Wittgenstein)
und Preußen (unter Blücher) das Königreich Sachsen und nötigte den
König zur Flucht Die Franzosen räumten alles Land rechts der Elbe;
nur in den festen Plätzen, wie Magdeburg, Stettin, Küstrin, Glogan
und Danzig, hielten sich die französischen Besatzungen.
Unterdessen hatte Napoleon schon wieder 120000 Rekruten in Frank¬
reich ausgehoben. Als er durch die Truppen des Rheinbundes verstärkt
in Sachsen einrückte, wurde er am 2. Mai von dem Hauptheere der Ver-
Großgörschenbündeteu bei Großgörschen (unweit Lützen) angegriffen. Nach Wechsel-
m*h vollem, blutigem Kampfe mußten die Verbündeten tags darauf den Rück-
zng antreten. Unter den Verwundeten befand sich Scharnhorst; er starb
bald darauf in Prag, wo er Österreich für die Verbündeten zu gewinnen
suchte. An seine Stelle trat Gneisenau. Am 20. und 21. Mai wurde
bei Bautzen die zweite Schlacht mit gleichem Ausgange geschlagen; die
Verbündeten zogen sich bis nach Schlesien zurück. Hamburg wurde von
Davoüt zurückerobert und gemißhandelt, Breslau von Napoleon besetzt.
Ein Waffenstillstand, den er gleichwohl in der Erkenntnis, noch nicht
hinlänglich gerüstet zu sein, und aus Besorgnis vor Österreich seinen
Feinden anbot, wurde angenommen. Das Lützowsche Freikorps, das hier-
von nicht rechtzeitig verständigt werden konnte, wurde von überlegenen
Streitkräften bei Kitzen (unweit Merseburg) überfallen und fast vernichtet;
Lützow selbst und Körner entkamen.
i Dem Heere Blüchers schloß sich auch das thüringische Bataillon an, das die
ernestinischen Herzöge auf Befehl Napoleons sogleich nach dessen Rückkehr aus Rußland
hatten aufstellen müssen. Es ließ sich aber auf vorherige Verabredung in der Nähe von
Eisenach von preußischen Husaren gefangen nehmen (13. April 1813) und gehörte seitdem
dem Yorckschen Korps an. Doch mußten die Herzöge dafür wieder das verfassuugs-
mäßige Regiment „Herzöge zu Sachsen" gegen Preußen aufstellen. So kämpften auf
beiden Seiten Thüringer. Indessen ist das Regiment, das in Magdeburg zur Besatzung
gehörte, außer bei Hagelberg (vgl. § 79) nicht zur Schlacht gekommen.
(Ü. iucoi).
Bautzen
(20./21.
Mai).
Waffen¬
stillstand.