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Das Zeitalter Friedrichs des Großen.
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kalischen Begabung und der bei künstlerisch veranlagten Naturen häufigen
Neigung zu Weichlichkeit und luxuriösem Leben, der er sich hinter dem
Rücken des Vaters überließ, unverständlich; er sah hier nur die Schatten-
feiten. Sein strenges preußisches Staatsgefühl bäumte sich aus bei dem
Gedanken, daß dieser Weichling die üppige Hofhaltung anderer Residenzen
auch hier einführen und den mühsam geschaffenen Wohlstand des Staates
vernichten könne. Der Schmerz des Vaters über einen Sohn, den er
leidenschaftlich geliebt hatte, aber fast verloren gab, verzehrte den König.
Äußere Umstände verschärften den Konflikt. Die Mutter, Sophie Doro¬
thea aus dem hannoverschen Hause, stand auf feiten des Sohnes; sie
betrieb eine englische Heirat, die der König verwarf. Dieser wollte seinen
Sohn gewaltsam unter seinen königlichen und väterlichen Willen beugen
und ließ sich von seinem Jähzorn zu körperlichen Mißhandlungen hinreißen;
doch traf er auf einen zwar passiven, aber unüberwindlichen Widerstand.
Endlich beschloß der Kronprinz, dem unerträglichen Verhältnis ein Ende
zu machen. Auf einer Reise seines Vaters nach Süddeutschland (1730)
versuchte er, ins Ausland zu fliehen. Vor der Ausführung seines Planes
aber wurde er gefangen genommen, unter militärischer Bedeckung nach
Küstrin gebracht und später vor ein Kriegsgericht gestellt; Leutnant
von Katte, der mit ihm im Einvernehmen gestanden hatte, wurde ent-
hanptet.
Aussöhnung. In Küstrin näherte sich der Kronprinz dem Könige wieder und suchte
seine Verzeihung zu erlangen. Er arbeitete sich auf der dortigen Kriegs¬
und Domänenkammer in die verschiedenen Zweige der Verwaltung ein und
fing an, für das Lebenswerk des Vaters, die Hebung des Landes durch
geordnete Verwaltung, Verständnis zu gewinnen. Im Jahre 1732 wurde
er Oberst eines in Rnppin liegenden Regiments. 1734 wohnte er dem
Feldzuge am Rheine im Lager des Prinzen Engen bei und überzeugte sich
durch eigenen Augenschein von dem Unterschiede in der Ausbildung der
preußischen und der österreichischen Truppen. Zwei Jahre später bezog
Rheinsberg, er das für ihn ausgebaute Schloß Rheinsberg (bei Rnppin) und lebte
hier in feinen dienstfreien Stunden seinen Studien und Neigungen, nament¬
lich der Dichtkunst und dem Flötenspiele, in der Gesellschaft geistreicher
Männer, die er von allen Seiten an sich heranzog; mit Voltaire trat er
in Briefwechsel. In angestrengter Arbeit eignete er sich die philosophische
Gedankenwelt des Jahrhunderts der Aufklärung an und entwickelte sich zu
dem geistig hervorragenden Menschen, der später als „der Philosoph auf
dem Throne" die Bewunderung feiner Zeitgenossen erregt hat.
Antimachia- In Rheinsberg schrieb er den „Antimachiavell", in dem er das
DeIL Ideal eines Fürsten, wie es ihm vorschwebte, gezeichnet hat. Der Flo-
rentiner Staatsmann und Historiker Machiavelli (um 1500) hatte nämlich
in feinem Buche „II principe" (Der Fürst) gegenüber den Herrfchafts-
anfprüchen der Kirche und den blutigen Parteifehden feiner Zeit die Not-
wendigkeit einer starken Monarchie betont, dem Fürsten aber freilich auch
zur Sicherung und Verstärkung feiner Macht die Anwendung von List und