§ 20. Geschichte Rußlands vor dem Regierungsantritt Peters des Großen. 31
Ludwigs XIV. Tode (1715) eingebüßt. Nachdem ihm sein erst fünfjähriger
Urenkel Ludwig XV. (—1774) in der Regierung gefolgt war, würdigte
dessen Großoheim, der Herzog Philipp von Orleans, der für ihn bie
Regentschaft führte, burch sein Wüstlingsleben bas tief gesunkene Ansehen
ber Monarchie noch mehr herab. Der Schotte John Law, ber bamals
in Paris eine Bank errichtete unb zum erstenmal Papiergelb ausgab,
zerrüttete baburch volleubs bie Staatsfinanzen; bas Lanb trieb ber Revo¬
lution entgegen.
Spanien sank burch ben Erbfolgekrieg zu einer Macht zweiten Ranges D^rigen
herab, boch auch Hollanb würbe jetzt von Englanb überflügelt; em Versuch
Jakobs III., bes Sohnes Jakobs II., sich mit Hilfe seiner Anhänger m
Großbritannien wenigstens ber Herrschaft über Schottlanb wieber zu be-
mächtigen, fchlug fehl.
Den Habsburgern fiel mit ihren Erwerbungen aus ber spanischen Erb- ^habs-
schaft bie Aufgabe zu, bie Verteibigung ber Grenze gegen Frankreich von ber Monarchie.
Münbung ber Schelbe bis nach Oberitalien allein zu führen. Die Bevölke-
rnng ber Habsburgischen Monarchie war bis zum Ausbruche ber Türkenkriege
überwiegenb beutsch gewesen; seitbem waren Ungarn unb Sübslawen hinzu-
gekommen, jetzt vermehrten Flämen unb Wallonen, Norb- unb Süditaliener
bas Völkergemisch.
Wenige Jahre nach ben Friebensschlüssen von 1713/14 hatte ber Spa-
nische Erbfolgekrieg noch ein Nachspiel. Spanien gab bie Hoffnung auf Spanien.
Wiebergewinnung seiner Besitzungen in Italien noch nicht auf unb hatte
sich bereits Sarbiniens unb Siziliens bemächtigt, als es burch eine Oua-
brupelallianz Frankreichs, Österreichs, Großbritanniens unb ber Nieder-
lanbe gezwungen wurde, auf biese Sauber enbgültig zu verzichten. Karl VI.
erkannte bie Bourbonen als Könige von Spanien an, nötigte aber zugleich
ben Herzog von Savoyen, Sizilien gegen Sarbinien einzutauschen; seitbem
nannten sich bie Herzöge von Savoyen Könige von Sarbinien.
D. Die Entstehung der russischen Großmacht.
Bisher hatte ber Gegensatz zwischen ben Königreichen Schweben unb
Polen bie Geschichte bes Nordostens von Europa bestimmt; im Anfange bes
18. Jahrhunderts würben beibe Mächte von Rußlanb zur Seite geschoben.
Rußlanb, bas bisher ein reiner Binnenstaat unb von bem übrigen Europa
getrennt gewesen war, faßte Fuß an ber Ostsee, stellte bie lange gesuchte
Verbinbnng mit bem Westen her unb warf sogleich seine gewaltige Macht
in ben Kriegen ber europäischen Staaten mit in bie Wagschale. Im Kampfe
um bas Dominium maris Baltici begann ein neuer Abschnitt; bie politische
Gestalt ber Ostfeelänber erhielt ein anberes Aussehen.
§ 20. Geschichte Rußlands vor dem Regierungsantritt Peters des Die Russen.
Großen. Die Russen, die zur slawischen Völkergruppe gehören, wohnten
ursprünglich am Dnjepr, an ber Oka, Düna und bem Njemen, doch reichten
ihre Wohnsitze an keinem der genannten Flüsse bis zur Mündung. Sie
trieben Ackerbau, Viehzucht, Jagd und Fischerei, lebten in Dörfern und
Dorfgemeinschaften und benutzten die bequemen Wege der schiffbaren Flüsse