§24.
Nord- und Osteuropa nach dem Nordischen Kriege.
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König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der soeben (1713) zur
Regierung gelangt war, es zu verhüten suchen, daß sich Karls Gegner
in den norddeutschen Provinzen Schwedens festsetzten, und besetzte deshalb
im Einvernehmen mit Rußland Stettin. Da endlich (1714) verließ
Karl die Türkei und gelangte auf einem abenteuerlichen Ritte durch Ungarn
und Deutschland (über Wien, Nürnberg und Braunschweig) nach Stral-
suud. Als aber preußische Truppen unter Leopold von Anhalt-Dessau
Rügen erobert hatten, mußte Karl auch diesen letzten Platz in Pommern
aufgeben. Bei einem Einfalle in Norwegen fand er in den Laufgräben
vor Frederikshald seinen Tod (1718). Zwei Jahre später trat sein Schwager fta1rI7518ZDb
und Nachfolger Friedrich von Hessen-Cassel im Frieden von Stock- Friedens-
Holm an Hannover Bremen und Verden, an Preußen Vorpom-
mern bis zur Peene (also auch Stettin und die Inseln Usedom und
Wollin) gegen eine Geldentschädigung ab; Dänemark nahm dem von
Schweden preisgegebenen Herzoge von Holstein-Gottorp seinen Anteil an
Schleswig. Im nächsten Jahre (1721) schloß Schweden mit Rußland
den Frieden zu N y st ad (in Finnland) und verzichtete gegen Rückgabe von
Finnland aus die „Ostseeprovinzen" (Jngermanland, Karelien, Estland
und Livland) nebst den vorgelagerten Inseln.
§ 24. Nord- und Osteuropa nach dem Nordischen Kriege. Durch Schweden »,
den Nordischen Krieg hatte Schweden das Dominium maris Baltici ver¬
loren. Von auswärtigen Besitzungen blieben ihm nur Wismar und der
nördliche Teil von Vorpommern mit Rügen, während Rußland festen Fuß
an der Ostsee gefaßt und damit die von Peter dem Großen angestrebte
Berührung mit Westeuropa gewonnen hatte. Preußen erlangte den zu
seiner wirtschaftlichen Entwicklung unentbehrlichen Anschluß an das Meer
oder, wie es Friedrich Wilhelm ausdrückte, „freien Zugang zu dem Com-
mercio mit aller Welt".
August II. blieb bis zu seinem Tode (1733) im Besitze des polnischen Polen.
Thrones. Dann aber wählte unter ftanzösischem Einflüsse (Kardinal
Flenry) die Mehrheit des polnischen Adels Stanislaus Leszczyuski,
dessen Tochter Ludwig XV. geheiratet hatte, zum Könige, während eine
von Österreich und Rußland unterstützte Minderheit den Kurfürsten
August III. von Sachsen, den Sohn Augusts II., auf den Thron zu
bringen suchte.
Da nämlich Karl VI. keine Söhne hatte, ordnete er schon bald nach ^aQ95J^e
seinem Regierungsantritt die Erbfolge in den habsburgifchen Landen durch
eine Pragmatische Sanktion*) in der Weise, daß die Monarchie nn-
geteilt bleiben und nach seinem Tode auf seine älteste Tochter Maria
Theresia übergehen solle. Seitdem bemühte sich — größtenteils mit
Erfolg —- die österreichische Diplomatie an den europäischen Höfen um
*i Allgemeine Bezeichnung für ein vom Landesherrn erlassenes Grundgesetz, wie
solche auch andere (§. B. französische) Fürsten „für ewige Zeiten" gegeben haben.