Das Zeitalter der Hohenstaufen.
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Das Rittertum. In den Tagen der Hohenstaufen genoß der Stand
der Ritter das höchste Ansehen. Ritterheere waren es, die in das Morgen-
land zogen, Ritterheere begleiteten die Könige auf ihren Romfahrten, deutsche
Ritter wurden von diesen in Mittel- und Unteritalien zu Herzögen und
Markgrafen erhoben, deutsche Ritter eroberten Preußen und Livland.
Man gehörte dem Stande nicht durch Geburt allein an, auch eine
besondere Erziehung war dazu erforderlich, um in ihn einzutreten. War
der Knabe von seinen Eltern an den Hof eines Fürsten gebracht und hier
im Waffenhandwerk und feiner Sitte erzogen worden, so begleitete er später
als Knappe feinen Herrn auf einer Kriegsfahrt und erhielt zuletzt den
Ritterschlag. Dieser höchste Ehrentag feines Lebens war von besonderer
Weihe umgeben. Nachdem er in der Nacht vor der Kirche, in der die ihm
bestimmten Waffen aufbewahrt wurden, Wache gehalten hatte, empfing er
am anderen Morgen vorm Altare den Ritterschlag, den letzten Schlag, den
er hinnehmen sollte, ohne ihn zu vergelten. Darauf wurden ihm Sporen,
Helm, Harnisch, Schwert und Schild angelegt. In der Regel folgte dann
ein Turnier. Dabei rannten die Ritter in Haufen aufeinander und brachen
Lanzen miteinander, oder Einzelkämpfe wurden ausgefochten. Der Sieger
empfing aus der Hand einer der zuschauenden Frauen den Preis. Kampf
gegen die Ungläubigen, Schutz der Witwen, Waifen und Kirchen, Treue
gegen den Herrn waren die Pflichten, die der Ritter übernahm. Hatte er
später von seinem Herrn ein Burglehen empfangen, so verfloß sein Leben
auf der einsamen, auf einer Bergeshöhe oder zwischen Wald und Sumpf
gelegenen Burg in Stille und Einförmigkeit; nur die Jagd und der Kriegs-
zng oder der seltene Besuch fremder Ritter oder fahrender Sänger bildeten
eine Unterbrechung.
Das ritterliche Leben spiegelt sich in der höfischen Poesie. Die
großen Epen Heinrichs von Veldeke, Hartmanns von Aue, Wolframs
von Eschenbach und Gottsrieds von Straßburg sind vom Geiste des
Rittertums erfüllt. Die Gedanken der staufischen Ministerialen über Kirche
und Reich, Fürsten und Herren finden wir in den Liedern Walthers
von der Vogelweide. Fahrende Sänger bewahrten dem Volke feine alten
Heldenideale, die den Merowingern und den Amehmgen im Charakter ähn¬
licher sind als den Staufen und Welfen. Götter, Riesen und Zwerge ver-
weben sich mit einem geschichtlichen Kern, altheidnische Züge treten neben
christliche, germanische Vorzeit neben die Völkerwanderung; daß Attila und
Theoderich nicht gleichzeitig gelebt haben, ist dabei ohne Bedeutung. Es
entstehen volkstümliche Heldenlieder von Walther und Hildegunde, von Dietrich
von Bern und Ermanarich, von Ortnit und Wolfdietrich, Alphart und König
Rother; die andern überragend die Gudrun und das gewaltigste von allen,
das Lied von der Nibelungen Not, das einzige Epos der Welt, das sich an
Bedeutung neben die Homerischen Epen stellen läßt. Von tief sittlicher Idee,
echt deutsch von Gehalt, das Lied von der deutschen Treue; von gewin-
nender Zartheit und Innigkeit in markigem Fortschreiten sich zu furchtbarer
Schönheit erhebend: „Kein Turm ist so hoch und kein Stein ist so hart,
wie der grimme Hagen und die rachgierige Kriemhild."