Rußland.
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Da von Karl XII. nichts zu befürchten schien, hielten die Herrscher
der Nachbarreiche Rußland, Polen und Dänemark den Augenblick für
qünstia, ihre Grenzen auf Kosten Schwedens zn erweitern. Peter wollte
die Ostseehäfen gewinnen, August II., Kurfürst von Sachsen und seit
1697 König von Polen, Livland erobern, und Friedrich IV. von
Dänemark den Herzog von Holstein-Gottorp, den Schützling Schwedens,
mit dem er verfeindet war, aus seinem Lande vertreiben. Sie schlössen
ein Bündnis zn gemeinsamer Kriegführung gegen Karl und begannen
gleichzeitig ihre Pläne zu verwirklichen.
Kaum aber hatte Friedrich IV. den Herzog von Holstem vertrieben,
so erklärte ihm Karl XII. den Krieg, überschritt an der Spitze emes
Heeres den Sund, belagerte Kopenhagen und nötigte Friedrich zum Frieden
von Travendal (bei Lübeck) 1700; der Herzog von Holstein-Gottorp
wurde wieder eingesetzt, Dänemark zahlte Kriegskosten und erklärte steh
für neutral.
Peter war indessen in Esthland eingefallen und belagerte me Festung
Narwa. Gegen ihn wandte sich Karl nach dem Frieden von Travendal.
Sobald er gelandet war, rückte er vor das russische Lager, erstürmte es und
erfocht über die mehrfach überlegene Armee Peters einen vollständigen Sieg.
Darauf griff er August II. an. Er besetzte Kurland und eroberte
in mehreren glücklichen Feldzügen ganz Polen. Unter dem Druck der
schwedischen Armee setzte ein von Karl einberufener polnischer Reichstag
1704 August II. ab und erwählte Stanislaus Leszczynski zum Kömg.
1706 fiel Karl nach dem Siege bei Fraustadt in Kursachsen ein und
nötigte August II. im Frieden von Altranstädt zum Verzicht auf die
Krone Polens und zur Anerkennung des Königs Stanislaus. Kursachsen
litt schwer unter den hohen Kriegskontributionen des schwedischen Heeres.
Peter hatte die Zeit, in der Karl XII. den König August II. be¬
kämpfte, benutzt, um diejenigen polnischen Provinzen, die zu Stanislaus
hielten, zu verwüsten, er hatte daraus Livland erobert, St. Peters-
bürg gegründet (1703) und sich nach Jngermanland und Esthland
gewendet. In diesen Jahren hatte er ein kriegstüchtiges Heer ausgebildet.
Im Jahre 1707 brach Karl XII. aus Kursachsen gegen Peter auf.
Als sich aber der Zar vor seinem Angriffe nach dem Inneren seines
Reiches, unterwegs alles verwüstend, zurückzog, folgte er ihm bis in die
Steppen von Südrnßland. Mazeppa, der Hetman der Ukraineschen
Kosaken, hatte mit Karl XII. einen Vertrag geschlossen und ihm ver-
sprechen, er werde ihm alle Kosaken zuführen. Obwohl der König bald
erkannte, daß er getäuscht worden war, setzte er seinen Marsch dennoch
fort, zuletzt in der Hoffnung, bei den Türken, deren Grenzen er sich
näherte, Unterstützung zu finden. Trotz der Erschöpfung seiner Schweden
griff er im Angesicht eines viel stärkeren russischen Heeres die Festung
Pultawa an. Hier wurde er am 8. Juli 1709 vollständig geschlagen,
der Rest seiner Truppen mußte am Dnjepr die Waffen strecken, er selbst
erreichte flüchtend die Türkei.