Full text: Geschichte der Neuzeit von 1648 bis zur Gegenwart (Teil 6)

Rußland. 
39 
Da von Karl XII. nichts zu befürchten schien, hielten die Herrscher 
der Nachbarreiche Rußland, Polen und Dänemark den Augenblick für 
qünstia, ihre Grenzen auf Kosten Schwedens zn erweitern. Peter wollte 
die Ostseehäfen gewinnen, August II., Kurfürst von Sachsen und seit 
1697 König von Polen, Livland erobern, und Friedrich IV. von 
Dänemark den Herzog von Holstein-Gottorp, den Schützling Schwedens, 
mit dem er verfeindet war, aus seinem Lande vertreiben. Sie schlössen 
ein Bündnis zn gemeinsamer Kriegführung gegen Karl und begannen 
gleichzeitig ihre Pläne zu verwirklichen. 
Kaum aber hatte Friedrich IV. den Herzog von Holstem vertrieben, 
so erklärte ihm Karl XII. den Krieg, überschritt an der Spitze emes 
Heeres den Sund, belagerte Kopenhagen und nötigte Friedrich zum Frieden 
von Travendal (bei Lübeck) 1700; der Herzog von Holstein-Gottorp 
wurde wieder eingesetzt, Dänemark zahlte Kriegskosten und erklärte steh 
für neutral. 
Peter war indessen in Esthland eingefallen und belagerte me Festung 
Narwa. Gegen ihn wandte sich Karl nach dem Frieden von Travendal. 
Sobald er gelandet war, rückte er vor das russische Lager, erstürmte es und 
erfocht über die mehrfach überlegene Armee Peters einen vollständigen Sieg. 
Darauf griff er August II. an. Er besetzte Kurland und eroberte 
in mehreren glücklichen Feldzügen ganz Polen. Unter dem Druck der 
schwedischen Armee setzte ein von Karl einberufener polnischer Reichstag 
1704 August II. ab und erwählte Stanislaus Leszczynski zum Kömg. 
1706 fiel Karl nach dem Siege bei Fraustadt in Kursachsen ein und 
nötigte August II. im Frieden von Altranstädt zum Verzicht auf die 
Krone Polens und zur Anerkennung des Königs Stanislaus. Kursachsen 
litt schwer unter den hohen Kriegskontributionen des schwedischen Heeres. 
Peter hatte die Zeit, in der Karl XII. den König August II. be¬ 
kämpfte, benutzt, um diejenigen polnischen Provinzen, die zu Stanislaus 
hielten, zu verwüsten, er hatte daraus Livland erobert, St. Peters- 
bürg gegründet (1703) und sich nach Jngermanland und Esthland 
gewendet. In diesen Jahren hatte er ein kriegstüchtiges Heer ausgebildet. 
Im Jahre 1707 brach Karl XII. aus Kursachsen gegen Peter auf. 
Als sich aber der Zar vor seinem Angriffe nach dem Inneren seines 
Reiches, unterwegs alles verwüstend, zurückzog, folgte er ihm bis in die 
Steppen von Südrnßland. Mazeppa, der Hetman der Ukraineschen 
Kosaken, hatte mit Karl XII. einen Vertrag geschlossen und ihm ver- 
sprechen, er werde ihm alle Kosaken zuführen. Obwohl der König bald 
erkannte, daß er getäuscht worden war, setzte er seinen Marsch dennoch 
fort, zuletzt in der Hoffnung, bei den Türken, deren Grenzen er sich 
näherte, Unterstützung zu finden. Trotz der Erschöpfung seiner Schweden 
griff er im Angesicht eines viel stärkeren russischen Heeres die Festung 
Pultawa an. Hier wurde er am 8. Juli 1709 vollständig geschlagen, 
der Rest seiner Truppen mußte am Dnjepr die Waffen strecken, er selbst 
erreichte flüchtend die Türkei.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.