Full text: Geschichte der Neuzeit von 1648 bis zur Gegenwart (Teil 6)

&te Begründung des Brandenburgisch-preußischen Staates usw. 
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Truppenteilen gleichmäßig gehandhabten, straffen Disziplin, und wenig- 
stens die Infanterie erlangte dank den unermüdlichen Bemühungen 
Friedrich Wilhelms I. und des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessan eine 
Gewandtheit im Aufmarschieren und raschen Feuern und eine Sicherheit 
in der gleichmäßigen Angriffsbewegung in langen Linien, wie sie bisher uir- 
gends erreicht worden war. Die Kavallerie erhielt erst durch Friedrich II. 
nach dem ersten Schleichen Kriege ihre vorzügliche Ausbildung. 
Zugleich erfuhr die Zusammensetzung sowohl des Offizierkorps als 
auch der Mannschaften tiefgreifende Wandlungen. War der Offizier 
noch in den Heeren des Dreißigjährigen Krieges in erster Linie von dem 
Obersten seines Regiments abhängig gewesen, von dem er angeworben 
und in Eid und Pflicht genommen wurde und seinen Sold erhielt, so 
wurde er in der brandenburgisch-preußischen Armee aus dieser Abhängig- 
keit gelöst und trat in den unmittelbaren Dienst seines Landes- und ober- 
sten Kriegsherrn. 
Friedrich Wilhelm I. zog vor allen die jüngeren Söhne des Land- 
adels zum Dienste im Heere heran, er ließ sie, die bisher oft ohne jede 
Bildung aufgewachsen waren, in seinen Kadettenhäusern erziehen. Mit 
seiner durchgreifenden Energie überwand er die anfangs vorhandene starke 
Abneigung vieler Familien gegen die militärische Laufbahn, bis es für 
die Söhne des Adels eine selbstverständliche Ehrenpflicht wurde, in die 
Armee einzutreten. Der König verstand es, das Offizierkorps von nn- 
würdigen Elementen zu reinigen, ihm ein hohes Ehrgefühl anzuerziehen 
und einen aristokratischen Charakter aufzuprägen. Aus einem Adel, der 
in ständischen Interessen aufgegangen war und sich dem Landesherrn bei 
jeder Gelegenheit widersetzt hatte, wurde ein Adel, der sich dem Dienste 
des Staatsganzen hingab und durch seine Opferwilligkeit im Siebenjährigen 
Kriege den Dank und die Bewunderung des großen Königs und des 
ganzen Volkes erwarb. 
Während das Offizierkorps fast ganz aus Landeskindern bestand, 
setzten sich die Mannschaften nur zur Hälfte aus Inländern, zur 
anderen Hälfte aber aus geworbenen Fremden zusammen. Das Kan- 
ton-Reglement vom Jahre 1733 wies einem jeden Regiment einen be- 
stimmten, in der Nähe seiner Garnison gelegenen Bezirk (Kanton) zu, aus 
dem es unter Mitwirkung der Zivilbehörden seinen Bestand an inlän- 
dischen Mannschaften ergänzte. Der Inländer ist zwanzig Jahre lang 
dienstpflichtig, er wird ein Jahr lang bei der Fahne ausgebildet, dann 
in die Heimat beurlaubt und nur noch zweimal einberufen. Es war dies 
der erste Schritt zur praktischen Durchführung der allgemeinen Wehr- 
Pflicht. Der Ausländer ist zeitlebens Soldat und bleibt dauernd beim 
Regiment. Die Armee bestand also zum Teil aus ausgehobenen, kürzere 
Zeit dienenden Landeskindern, zum Teil aus geworbenen, ausländischen 
Berufssoldaten. Die ganze Einrichtung bewährte sich, bis sie am Ende 
des Jahrhunderts infolge der überhandnehmenden Befreiungen von In- 
ländern und der Verschlechterung des Materials an Ausländern verfiel.
	        
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