Full text: Geschichte der Neuzeit von 1648 bis zur Gegenwart (Teil 6)

94 Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbesondere der deutschen Geschichte. 
für Demokratie und Republik gewann in der Literatur und in der Ge- 
sellschaft die Oberhand. 
Der aus dem Parlamentsadel hervorgegangene Montesquieu 
(geb. 1689, gest. 1755) war zwar kein Gegner der Monarchie, wohl aber des 
Absolutismus. In seinem Hauptwerk, dem Esprit des lois, erschienen 
1748, stellte er das Ideal einer konstitutionellen Monarchie nach 
englischem Vorbild dar und formulierte die Lehre von der „Teilung der 
Gewalten", derznfolge Gesetzgebung, Rechtspflege und Verwaltung nicht 
in einer Hand liegen dürfen, sondern voneinander getrennt sein müssen, 
und der Monarch in der Gesetzgebung durch eine Volksvertretung, in der 
Rechtspflege durch unabhängige Gerichte, in der Verwaltung durch Ver- 
waltungsgerichtshöfe beschränkt sein soll. Während es sehr wohl möglich 
gewesen wäre, diese Gedanken Montesquieus in einer zeitgemäßen Um¬ 
bildung des französischen Königtums zu verwirklichen, wirkte die Tätig- 
keit Voltaires (Franeois Marie Arouet, geb. 1694, gest. 1778), obwohl 
auch er sich als Anhänger der Monarchie bekannte, durchaus zerstörend; 
wenn er einerseits gegen offensichtliche Mißstände mit allen Waffen des 
Witzes, des Spottes und der Satire kämpfte und in einzelnen Fällen 
himmelschreiender Ungerechtigkeit mit Mut und mit Erfolg für die Unter¬ 
drückten eintrat, so zog er andrerseits auch das wirklich Verehrungswür- 
dige in den Staub, rüttelte an jeglicher Autorität und erzeugte dadurch 
jene schamlose Pietätlostgkeit, die in den Zeiten der Revolution so furcht- 
bar zutage trat. 
Von weitestgehender Wirkung waren die Gedanken, die Jean Jacques 
Rousseau (geb. 1712 in Genf, gest. 1778) ohne Kenntnis der Geschichte 
der Vergangenheit und der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse 
seiner Zeit, getrieben von Mitleid für die namentlich in Frankreich unter 
den schwersten Lasten seufzenden niederen Klassen, aus der Tiefe seines 
Gemütes in hinreißender Sprache verkündete. Er sah in der Republik 
das Ideal der Verfassung. Die Kultur betrachtete er als das Verderben 
des Menschen und forderte die Rückkehr zur Natur. Im Emile (1762) 
zeichnete er die Jdealgestalt des Bürgers und sprach als leidenschaftlicher 
Gegner der Monarchie. Die Grundzüge der Staatsverfassung entwarf er 
dann im Contrat social (ebenfalls 1762); hier lehrte er, daß der Mensch, 
auch wenn er sich einem Staate unterwerfe, seine Freiheit nicht aufgebe. 
Erst als in Nordamerika eine Republik entstanden war, sich im Kriege 
behauptete und günstig entwickelte, wurde die Überzeugung allgemein, daß 
der Mensch in einem unwürdigen Zustand lebe, wo er als Untertan nn- 
bedingt gehorchen müsse, daß er nur in der Republik seinen wahren Wert 
habe, daß die Nation sich selbst regieren müsse. „Das Volk", sagt 
Rousseau, „ist souverän, und diese Souveränität ist unveräußerlich, das 
Gesetz ist der Ausdruck des Volkswillens." Ähnliche Gedanken verfocht 
Diderot (1712—1784), einer der außerordentlichsten Männer des Jahr- 
Hunderts, und wußte ihnen durch die mit gleich gesinnten Freunden 1751 
bis 1780 herausgegebene Encyclopedie (daher „Enzyklopädisten") die
	        
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