I. Bodenbeschaffenheit.
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Ostsee. Vor uns breitet sich eine Landschaft aus clem ostholsteinischen
Küsten- nncl Seeengebiet aus. Eigentümlich ist demselben der Reich¬
tum an anmutigen, klaren Seeen. Im Y. des Bildes dehnt sich der
Krummensee aus. Er ist von stattlichen Buchen, die hier am besten
gedeihen, eingefasst. Dahinter erscheinen im M. Wiesen und fruchtbare
Felder. Letztere sind meist von schmalen, etwa 3 m hohen Erdwällen,
die mit lebendigen Hecken von Flieder-, Hasel-, Weidensträuchern be¬
pflanzt sind, umzäunt. Diese „grünenden, blühenden und wachsenden
Mauern" werden in der Volkssprache „Knicks" genannt. Zwischen diesen
schützenden Einfriedigungen reifen üppige Getreidefelder und grasen
Herden roter Milchkühe. — Diese Art der Bebauung nennen die Hol¬
steiner das „Koppeln". Das hohe Strauchwerk auf der Krone des Erd¬
walls liefert den Eigentümern in diesen holzarmen Gregenden den nötigen
Bedarf an Holz. Im H. erscheinen einige der vielen Hügel und Hügel¬
gruppen (von den Bewohnern „Berge" genannt). Sie erheben sich ent¬
weder als waldgekrönte Halbkugeln aus lichtgrünen Ebenen und tief¬
blauen Wasserflächen oder sie steigen als wiesengeschmückte, sonnenhelle
Kuppen aus einem Kranz dunklen Baumschlages auf. (Kutzen.)
Auf dem Bilde 17 c darunter sehen wir einen Binnensee in Mecklen¬
burg. Er gehört zu den Seeen, die labyrinthisch über den ganzen nörd¬
lichen Landrücken zerstreut liegen; sie sind bald grösseren, bald ge¬
ringeren Umfangs. Diese Seeen sind Ansammlungen von Wasser in
den zahlreichen Einschnitten und "Vertiefungen des Landrückens. Einen
besonders freundlichen Anblick gewähren diese Seeenbecken nicht
immer. Zu den Alpenseeen verhalten sie sich „wie Moorgründe gegen
Matten". Ihre Ufer sind oft braun, trüb und schlammig. Dieser Binnen¬
see ist offenbar flach und seicht. Er scheint zu denjenigen zu gehören,
welche versunkene Wälder oder Torfmoore bergen sollen. Andre da¬
gegen, wie z. B. der Schweriner, Ratzeburger und Müritz-See gewähren
mit ihrer weiten, klaren Wasserfläche einen grossartigen Anblick.
Auch des „heiligen römischen Reiches Streusandbüchse" ermangelt
nicht ganz solcher Gegenden, die landschaftliche Schönheiten aufweisen.
Neben dem Havelland, das wegen seiner landschaftlich anmutigen Punkte
sogar berühmt ist, nennen wir
17. den Spreewald. Er umfasst ein Gebiet von 45 km Länge
und 4 bis 8 km Breite. Er ist in alter Zeit ein undurchdringlicher Bruch¬
wald gewesen, der den Wenden, als sie vor den Deutschen nach 0. weichen
mussten, als Zufluchtsstätte diente. Die Nachkommen jener Wenden wohnen
noch heute im Spreewald. Sprache und Sitten ihrer Yäter haben sie treu
bewahrt. Aber im Spreewald selbst sieht es heute ganz anders aus.
Bild 18 a lässt uns einen Blick in dieses eigentümliche Waldrevier
Norddeutschlands thun. Die Spree spaltet sich hier, weil sie nicht weiss,
welchen Weg sie nehmen soll, in mehr als 300 Flussarme. Ihr Gefälle
ist beim Eintritt in diese Niederung so gering, dass sie oft gar nicht
von der Stelle kommt. Wie ein Netz durchschneidet sie den ganzen grossen
Wald und bildet so ein natürliches Kanalsystem. Bei hohem AVasser¬