Full text: [Klasse 3, [Schülerband]] (Klasse 3, [Schülerband])

— 1 — 
Söhnchen wohl gar zur Schule und ließ es nach beendigten Schul— 
stunden wieder abholen. Fleißig und schnell lernte der kleine 
Martin, wenn auch unter viel Angst und Zittern, die zehn Gebote, 
den Glaͤuben, das Vaterunser, einige Gesänge, eine kleine lateinische 
Grammatik, sonderlich aber den Kalender und die Heiligentage. 
Dies alles lernte er sehr leicht und schnell; denn der liebe Gott 
hatte es ihm nicht an guten Gaben fehlen lassen. Wenn er aber 
aus der Schule nach Hause kam, dann war an Spielen mit andern 
Buben seines Alters nicht viel zu denken; denn er sollte fromm und 
sittlich rein aufwachsen und etwas Rechtes lernen, und das alles 
läßt sich in den vier Pfählen des elterlichen Hauses am besten 
überwachen. — So dachte der alte Luther und übte nach dieser 
Regel seine Erziehungskünste an dem jungen Martin, hielt ihn streng 
und eingezogen und strafte auch die kleinsten Vergehen gar hart 
und böse. Frau Grete war ebenfalls sehr strenge und half nach, 
wo der Vater vielleicht etwas versäumt hatte. Um einer Nuß 
willen hat sie ihn einmal blutig geschlagen. Bei dieser harten Zucht 
aber lernte der Knabe Martin ein wichtig Ding. Es ward durch 
die strenge Zucht ein Pflänzlein in seine Seele eingesenkt und ge— 
pflegt, das vor allen andern gar kostbar und herrlich ist, nämlich: 
Gehoͤrsam. Er ward von Jugend auf inne, daß er nicht Herr 
im Hause und in der Welt sei, sondern andere; darum hat er auch 
sein Lebtage keinerlei Ungehorsam und Zügellosigkeit leiden können. 
Wurde er dabei auch, weil es oft des Strafens zu viel ward, ein 
wenig schüchtern und blöde, so ward er doch körperlich frisch und 
stark, und die knappe Bergmannskost bekam ihm gut. 
2. Luther als Vater. 
Luther hatte sechs Kinder, drei Knaben und drei Mägdlein, 
von denen ihn vier, die Söhne und eine Tochter überlebt haben, 
zwei Töchter aber früh gestorben sind. Muhme Lene, seiner Schwester 
Tochter, war auch im Hause, half der Mutter, trug und wartete 
die Kleinen. 
Wenn dann der Doktor, von angestrengter Arbeit ermüdet, 
in die Kinderstube kam, so ging ihm das Herz auf. Einmal segnete 
er seiner Kinder eines, das die Muhme auf dem Arme trug, und 
sprach: „Gehe hin und sei fromm, Geld will ich dir nicht hinter— 
lassen, aber einen reichen Gott laß ich dir, der wird dich nicht ver— 
lassen. Sei nur fromm, da helfe dir Gott zu! Amen.“ 
Luther war seinen Kindern nicht zu streng, weil er selbst in 
seiner Jugend fast zu streng erzogen war. Er sagte wohl: „Der 
Apfel muß bei der Rute liegen.“ Wo es aber nötig war, konnte 
er auch sehr ernst sein. Einmal hatte sein ältester Sohn etwas 
Zweites Lesebuch.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.