Full text: Quellenlesebuch (Heft 5. Erg.-H)

5. Das Kulturwerk Roms. 
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stehenden Zeit widersprach, konnte nicht wiederhergestellt werden. Die Antonine 
hatten dies versucht, dadurch, daß sie die stoische Philosophie hineinzogen, und es 
waren wirklich aufgeklärte Herrscher und tüchtige Verwaltungsbehörden daraus 
hervorgegangen; aber diese Schule konnte nie volkstümlich werden, wie eine Religion 
es sein soll. Als Konstantin — sei es aus persönlichen oder aus politischen Gründen — 
das Christentum annahm, weil er vielleicht glaubte, das Reich dadurch zu stärken, 
beschleunigte er nur den Zusammenbruch. Freilich brachte das Christentum durch 
die Milde seiner Moralprinzipien der Menschheit eine Linderung für so manches 
Übel; aber es verzehrte vollends die letzten Kräfte des Reiches, das in allen seinen 
Einrichtungen und seinem ganzen Geiste nach wesentlich heidnisch geblieben war. 
Weit entfernt davon, für die antike Welt einzutreten, setzten die neuen Christen ihre 
Hoffnung auf einen Umschwung der Dinge, und ihre Lehren drängten diesem zu. 
Denn das Christentum, das wenigstens dem Begriffe nach die Gleichheit aller ver- 
kündete und vor allem nach dem himmlischen Leben trachtete, stand in absolutem 
Gegensatze zu den Grundsätzen und Zielen, die für die antike Gesellschaft maßgebend 
waren. In ethischer Hinsicht durchbrach es wenigstens die Schranken zwischen Römern 
und Barbaren: es stellte den Kaiser selbst, vor Gott und der Kirche, dem letzten der 
Gläubigen gleich. Überdies hob seine schnelle Ausbreitung unter den Germanen 
bald jenen religiösen Gegensatz auf, welcher die Widerstandskraft der Römer gegen 
die Barbaren bedeutend verstärkt haben würde. 
Der übrigen Faktoren, die zum Falle des Weströmischen Reiches mitwirkten, 
der wechselnden Schicksale, der Ruhmes- und Greueltaten des kaiserlichen Rom, 
wollen wir hier nicht gedenken. Wir wollen nur noch daran erinnern, daß, wenn der 
Übergang der Macht vom Senat an einen einzigen, d. h. die Gründung des Kaiser- 
reichs für Italien zur Quelle schwerer Übel wurde, sie sich dennoch stets als unerläß- 
liche Notwendigkeit und als Verhinderung größerer Übel bewiesen hat, weil es un- 
umgänglich war, die verschiedenen Teile jenes ungeheuern Baues, der sich der Rö- 
mische Staat nannte und der infolge seiner allzu großen Ausdehnung sich aufzulösen 
drohte, enger zusammenzuschließen. Den Provinzen war die Gründung der Mon- 
archie unzweifelhaft von Vorteil: die wichtigsten wurden bekanntlich durch vom 
Fürsten selbst ernannte Legaten regiert, die andern von senatorischen Prokonsuln. 
Das kaiserliche Regiment aber war der beständigen Aussicht und geringem Steuern 
wegen so viel milder, daß senatorische Provinzen es als Gnade erbaten, vom Kaiser 
regiert zu werden. 
B. Die Welt der Romanen und die der Barbaren. 
I. Die Romanisierung. 
Tie bewundernswerteste Betätigung der politischen Klugheit Roms war un¬ 
zweifelhaft die Romanisierung, d. h. die Fähigkeit, seinen endlosen Eroberungen 
dauernden Erfolg zu verleihen durch Bildung eines umfassenden römischen Einheits- 
reiches, in welchem so viele ungleichartige Völker in einer gemeinsamen Kultur, so 
viele verschiedene Zungen in einer gleichen Sprache ausgingen. Diese außerordent- 
* liche, großartige Leistung wurde zur wirklichen Grundlage der europäischen Zivi- 
lisation. 
Europa war in zwei große Völkermassen geschieden: nach Alexander dem Großen, 
der die griechische Kultur mit der orientalischen zu vereinigen strebte, und nach dem 
Sturze Karthagos war am Mittelmeer die griechisch-lateinische Kultur die herrschende;
	        
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