Full text: Abriß der Geschichte des Altertums (Teil 1)

Italien. 59 
So fehlt es an guten Hafenplätzen, zumal die Küsten auch nur wenig einge- 
schnitten sind, und die Römer sind daher alle Zeit schlechte Seefahrer geblieben. 
„Landbau (wenn auch nicht vorzugsweise Kornbau) ist der Beruf der 
Nation, wie das Seeleben der der Griechen." Was konnte sie auch 
hinauslocken auf das Meer, da die gegenüber liegenden Festlandsgestade weit 
auseinander treten. Südlich vonLiris breitet sich Campanien aus, die Herr- 
liehe Hügellandschaft des Vesuv, durch den vulkanischen Boden, den milden und 
klaren Himmel, das im Verhältnis zur übrigen Westküste buchtenreiche Meer, 
die viel gepriesene Perle unter den italischen Landschaften. Hier beginnt 
griechisches Wesen mit seiner leichten Beweglichkeit den strengen Ernst des 
Jtalikers zu lockern; selbst die nervigen Samniter, welche, von ihren Bergen 
herabgelockt, die vorwiegend griechische Bevölkerung unterwarfen und sich mit 
ihr mischten, sind hier verweichlicht und dem eigenen Stamme entfremdet. 
§.101. Von den Quellen des Silarus und Aufidus (des einzigen größeren 
Stromes der Ostseite) bildet der Apennin keine zusammenhängende Kette mehr; er 
nähert sich wieder der Westküste und zieht nun direkt nach Süden bis zum Vor- 
gebirge Leucopetra durch die Landschaften Lucania und Bruttium. In diesen 
ist die ursprüngliche altitalische Bevölkerung, deren Reste, die Japyger, sich nur 
in der südöstlichsten Halbinsel bis in die historische Zeit erhalten haben, voll- 
ständig durch die von Norden hereinwandernden Samniter und die das Küsten- 
gebiet mit ihren blühenden Ansiedelungen erfüllenden Griechen aufgesogen. Im 
Altertum galten diese Landschaften unbestritten als ein Teil der griechischen 
Welt; sie bildeten zugleich mit ©teilten Graecia magna. Östlich nach dem 
Adriatischen Meere breitet sich ein weites Hügelland aus; wie aber in Latium 
ein Übermaß an Feuchtigkeit, so zeigen uns im Gegensatz dazu Apulien und 
Calabrien einen völligen Mangel irgend ausreichender Bewässerung; es sind 
Steppenlandschaften, fast nur zur Schafzucht geeignet; die Küsten sind sandig 
und flach, die gegenüber liegenden Gestade von barbarischen Stämmen bewohnt; 
daher haben diese Gebiete in der Geschichte Italiens niemals eine erhebliche 
Rolle gespielt. 
§. 102. Das Tyrrhenische Meer (mare infernm), welches die Westküsten 
Italiens bespült, wird von den Inseln Corsica, Sardinien, ©teilten eingeschlossen. 
Sicilien (bei den Griechen Trinakria, wegen seiner Gestalt) wird von Italien durch 
das fretum Siculnm getrennt. Ob die Sage von dem alten Durchbruch des 
Meeres bei Rhegium recht hat, ist nach der Streichungslinie der sicilischen 
Gebirge doch sehr zweifelhaft. Von dem nördlichen Randgebirge, das zum 
Teil unmittelbar und steil ins Meer abfällt, senkt sich ein breites Kalkplateau 
nach Süden zu einer fruchtbaren Küstenebene — der eigentlichen Kornkammer 
Roms. An der Ostseite bildet der Ätna mit seinen Abhängen eine isolierte 
Berglandschaft. Nach Osten schaut auch die breite Seite der Insel und lud 
die griechischen Seefahrer allerorten zur Ansiedelung ein; von Messana bis 
zum Vorgebirge Pachynnm kränzte eine ununterbrochene Reihe der blühendsten 
Griechenstädte die Westseite des ionischen Meeres, darunter vor allen das 
dorische Syrakus; erst später wurde auch die Südküste (Agrigenwm!) besetzt.
	        
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