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besuchten Zollparlaments in Berlin. Vergebens suchte Na¬
poleon durch liberale Reformen (Ministerium Ollivier; Plebiscit)
den erschütterten Thron zu befestigen; da beschlofs er, als
letztes Mittel die Existenz seiner Dynastie zu sichern, einen
grofsen Krieg gegen den Cpreufsischen Ehrgeiz'. Zum Vorwand
diente die Berufung des Prinzen Leopold von Hohenzollern-
Sigmaringen (Schwager des Königs von Portugal, Bruder des
Fürsten von Rumänien) auf den durch Vertreibung der Königin
Isabella (Sept. 1868) erledigten spanischen Thron. Als der
Prinz auf die angebotne Krone verzichtete, sollte König
Wilhelm eine Garantie leisten, dafs auch in Zukunft kein
hohenzollernscher Prinz auf die spanische Throncandidatur zu¬
rückkomme; die Abweisung des französischen Botschafteis Be-
nedetti durch den König zu Ems gab den Anlafs zu plötz¬
licher Kriegserklärung (19. Juli). Napoleon vertraute teils auf
die überlegene Bewaffnung der französischen Armee (Chafsepots,
Mitrailleusen), teils auf die nach dem ersten Sieg zu erwartende
Bundesgenofsenschaft Italiens, Oestreichs und Dänemarks.
§ 199. Während Deutschland sich einmütig erhob (patrio¬
tische Haltung des Baiernkönigs Ludwig II) und schon
am 2. Aug. 450,000 M. unter dem Oberbefehl des Königs von
Preufsen (Chef des grofsen Generalstabs von Moltke) schlag¬
fertig an der Grenze standen (I Armee unter Steinmetz an
der Mosel, II Armee unter Prin,z Friedrich Karl zwischen
Rhein und Nahe, III Armee, Preufsen und Süddeutsche unter
dem Kronprinzen von Preufsen in der Rheinpfalz): liefsen
die bei Metz und Strafsburg zusammengezogenen französischen
Armeen, kaum 300,000 M. unter dem Oberbefehl des Kaisers
Napoleon, wegen mangelnder Kampfbereitschaft die ersten Wochen
ungenützt verstreichen. Der vorübergehenden Besetzung der
preufsischen Grenzstadt Saarbrücken durch Napoleon (2. Aug.)
folgte der Einmarsch der deutschen Heeresmacht in Frankreich.
Die Armee des Kronprinzen erstürmte am 4. Aug. den Gaisberg
hinter Weifseeiburg und warf am 6. Aug. die Armee Mac Ma¬
li ons bei Wörth in blutiger Schlacht aus ihren Positionen am
Sauerbach. Am gleichen Tage erstürmten Truppen der I und
II Armee die stark befestigten Spicherer Höben hinter Saar¬
brücken.
§ 200. Da Mac Mahon seine geschlagene und aufgelöste
Armee mit Preisgebung der Vogesenpässe in das Lager bei
Chä'lons zurückführte, beschlofs Marschall Bazaine, welchem
Napoleon den Oberbefehl über die 'Rheinarmee' abgetreten hatte,
dieselbe über Verdun ebenfalls nach Chälons zu führen, wurde
aber durch den Angriff der I Armee am 14. Augtist bei Cour¬
celles und Borny östlich von Metz aufgehalten. Als er am
16. Aug. den Marsch nach Westen wieder aufnahm, wurde ihm
durch mehrere Abteilungen der II Armee, welche inzwischen