10 Die Zeit der karolingischen, sächsischen und fränkischen Kaiser.
9. Die Erneuerung der abendländischen Kaiserwürde, 800. Von römischen
Empörern vertrieben, erschien Papst Leo III. in Paderborn schutzflehend
beim König der Franken, dem er nach seiner Wahl die Schlüssel zum
Grabmal des heiligen Petrus und die Fahne der Stadt Rom als Zeichen
der Huldigung übersandt hatte. Karl ließ ihn nach Rom zurückführen,
kam dann selbst und hielt Gericht über Leos Gegner. Als er am Weih-
800. nachtsfeste 800 in der Kirche des heiligen Petrus vor dem Altare nieder-
kniete, setzte ihm der Papst eine goldene Krone auf und huldigte ihm durch
Kniebeugung; das versammelte Volk aber begrüßte ihn mit dem Ruf: „Karl,
dem Augustus, dem von Gott gekrönten, großen, friedenbringenden Kaiser
der Römer, Leben und Sieg?"
Mit der Kaiserwürde hatte Karl einen Titel erworben, der seiner
Macht entsprach; war er doch nicht mehr bloß König der Franken, sondern
unumschränkter Herrscher in einem weitausgedehnten, viele Völker umfassenden
Reiche und Schutzherr Roms.
§ 66. Karl der Große. — II. Einrichtungen und Zustände im Reiche.
1. Verfassung nnd Verwaltung. Die Beamten. Das Land war iu
Gaue geteilt, in denen Grafen im Namen des Königs Heer- und Ge-
richtsbann übten. In den Marken, die ein Gebiet von mehreren Graf-
schaften umfaßten, walteten Markgrafen, deren besondere Aufgabe die
Grenzwacht war. Zur Beaufsichtigung dieser Beamten dienten die Königs-
boten, missi dominici, von denen je ein weltlicher und ein geistlicher
einen Teil des Reiches zu bereisen und Mißstände abzustellen hatte. Die
früheren Hofämter blieben mit Ausnahme des Hausmeiertums bestehen.
Das einflußreichste Hofamt wurde das des Kanzlers, der die Urkunden
ausfertigte, gegenzeichnete und siegelte. Alle Beamten setzte der König ein.
Das Gerichtswesen. Um die lästige „Dingpflicht" zu erleichtern,
verpflichtete Karl die Gesamtheit der freien Grundbesitzer nur zur Teil-
nähme an den dreimal im Jahre stattfindenden regelmäßigen Gerichtssitzungen,
den vorn Grafen geleiteten „echten Dingen", in denen die wichtigeren Rechts¬
sachen verhandelt wurden; in den zahlreicheren „gebotenen Dingen" versah
ein Ausschuß von Schössen das Richteramt. Das Hofgericht blieb als
oberster Gerichtshof bestehen.
Der Heerbann. Auch in der Wehrpflicht, die in den vielen Kriegen
große Lasten auferlegte, trat eine Erleichterung ein, indem von den Ärmeren
nur je drei, von den Ärmsten sogar nur je fünf einen Mann zu stellen
und auszurüsten brauchten.
Die Reichsregierung. Die Regierungsgewalt lag allein in den
Händen des Königs. Er berief die Großen des Reiches auf den Mai-
feldern zu Versammlungen und legte ihnen zur Beratung die Angelegen-
heiten vor, die er für gut fand. Hier erfolgte auch die Bekanntmachung