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2. Abschnitt. Die Zeit der nationalen Staatenbildung.
abzulegen, schmückte er gemeinschaftlich mit anderen einen Saal der vom
preußischen Gesandten bewohnten Villa mit Fresken, wozu die Geschichte
Josephs in Ägypten gewählt wurde. Das Hauptverdieust dieser sogenannten
Nazarener beruht betritt, daß sie bie Farbenverachtung ber „Klassizisten"
aufgaben unb, wenn auch unbeholfen, ber Farbenfreubigfeit im Gemälbe
Wieb er zu ihrem Rechte verhalfen.
In ber Bilbhauerei steht Thorwalbsett, ber Sohn eines Bilb-
schnitzers in Kopenhagen, an ber Spitze ber Meister bes 19. Jahrhuuberts.
Ju Rom, wo er längere Zeit lebte, bestärkte ihn Carstens in seiner klassischen
Denkweise. Er ist ber Wieberhersteller ber Reliefkuust, aus ber er nach
bent Vorbilbe ber Griechen bas Malerische verbannte. Für ben Palast auf
bem Quirinalischen Hügel, bcn sich Napoleon zur Sommerresibenz ersehen
hatte, arbeitete er ben „Einzug Alexanbers itt Babylon". Unter seinen
übrigen Werken sinb bie bekanntesten Christus unb bie Apostel in ber
Frauenkirche zu Kopenhagen, Gutenberg in Mainz, Schiller in Stuttgart
unb ber Sterbeube Löwe itt Luzern.
Eine mehr realistische Darstellung erstrebte der Deutsche Rauch, der,
in Rom ausgebildet, einem Rufe Fricbrich Wilhelms III. nach Berlin folgte
unb bnrch bas Grabbenkmal ber Königin Luise im Charlottenburger
Mausoleum seinen Ruhm begrünbete. Dem Anbenkett an bie Befreiungs¬
kriege bienett bie Stanbbilber von Scharnhorst, Bülow, Blücher,
Uork unb Gneisenan. Das wuchtige Reiterbenkmal Friebrichs II. zeigt
ben großen König mit seinen Zeitgenossen.
Um 1820 würbe München eine Hauptpflegestätte ber Kunst. Der
für alles Schöne unb Edle begeisterte König Lubwig I. von Bayern, ber
in Rom im Verkehr mit ben bort lebenben Meistern sich künstlerisch gebildet
hatte, ließ Prachtbauten in den verschiebensten Stilen errichten: n. a. bie
Lubwigskirche, bie Basilika bes hl. Bonifatius, bie Ruhmeshalle,
bie Propyläen, bie Glyptothek unb bie alte Pinakothek itt München;
bie Walhalla bei Regeusburg, bie Büsten deutscher Männer unb Frauen
enthält; bie Befreiungshalle bei Kelheim.
Der Bilbhauer Schwanthalcr, ein Mann von anßerorbentlicher Be¬
gabung, versah bie bayrische Hauptstabt mit einer Fülle bilbtterischen
Schmucks. Vor ber Ruhmeshalle steht seine riesige eherne Bavaria.
Für bie beutschen Maler hörte Rom auf, ber Mittelpunkt zu fein,
feitbem Cornelius 1819 bie Anfforbcrung erhalten hatte, nach München
zu kommen. Er bemalte bie Glyptothek, fpäter auch bie Pinakothek unb bie
Lubwigskirche mit Fresken. Aber fein Jüngstes Gericht an ber Altar»
wanb dieser Kirche, eine der bebeutenbsten Schöpfungen ber neueren Malerei,
fanb nicht den Beifall bes Königs. Gekränkt ging ber Meister nach Berlin,
wo er feine letzten Jahre verlebte. — Auch Schnorr von Carolsfelb
warb nach München berufen; er schmückte bic Säle bes Königlichen Schlosses
mit Fresken ans ber Nibelungensage.