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Wo früher Wiesen und Felder gewesen waren, sah man jetzt Buschwerk und 
Heideland. Wie sollte man wieder fruchtbares Ackerland schaffen? In manchen 
Doriern gab es weder Pffug noch Wagen. Es fehlte an Saatkorn, Zugvieh 
und Händen. Zwei Drittel der Bewohner waren durch das Schwert oder durch 
Hunger und Pest dahingerafft worden. „Man wandert wohl 10 Meilen weit 
und sieht nicht einen Menschen. In allen Dörfern sind die Häuser voller Leich¬ 
name und Äser gelegen, weil niemand gewesen, der sie begraben hat." 
b) Schädigung des Handels. Der Handel war während des Krieges 
an England, die Niederlande und Frankreich übergegangen. Der Ruhm der 
Hansa war dahin. Die See gehörte den Fremden. Auf die unsicheren Land¬ 
straßen durfte sich der Kaufmann nicht mit seinen Gütern wagen, lmb der ver¬ 
armte Bewohner konnte nicht kaufen. So war auch im Innern der Verkehr 
erstorben. Handwerker gab es kaum noch. 
c) Verfall der Sitten. Roheit und Sittenlosigkeit hatten überhand 
genommen. Das Morden war zum Handwerk geworden. In den Wäldern 
hausten Räuber und fielen über die Reffenden her oder brachen in die Dörfer 
ein. Aus dem Lagerleben kam ein wüster Aberglaube über das Volk. Aller¬ 
hand Zauberkünste versteht der Soldat. Er kann sich fest. d. h. unverwundbar 
machen, nte fehlende Kugeln um Mitternacht unter dem Galgen gießen, mit Hilfe 
des Teufels vergrabene Schatze finden, Tag und Stunde seines Todes bestimmen 
und vieles andere. Durch das Bündnis mit dem Teufel sollten Hexen bösen 
Zauber verüben, Menschen und Tiere krank machen oder Ungewmer, Hagel und 
Unfruchlbarkett des Feldes herbeiführen können. Die Hexenprozesse, die schon 
im 15. Jahrhundert aufgekommen waren, wurden jetzt mit neuem Eifer betrieben. 
Mil unglaublicher Grausamkeit wurden Kinder und Greise, Gelehrte und Rats¬ 
herren, besonders aber Frauen gefoltert und dann verbrannt. Über 100000 Men¬ 
schen sind diesem Schicksal verfallen. Erst im Zeitalter Friedrichs des Großen 
endete dieser wahnsinnige Greuel. 
d) Verwelschung Deutschlands. Durch den langen Krieg wurde der 
gerade, biedere Sinn des deutschen Volkes gebrochen. Sein stolzes Selbstbe¬ 
wußtsein war geschwunden. Mit Bewunderung staunte man alles Fremde an, 
und bald galt es für fein, alles Fremde nachzuäffen. So fing man damals an, 
sich nach französischer Mode zu kleiden. Die Männer bedeckten ihr Haupt mit 
eiuer langen Lockenperücke, und die Frauen erschienen im weiten Reifrocke mit 
engen Schnürleibern. — Die deutsche Sprache wurde mit französischen und 
lateiniichen Brocken gemischt. Lange Zeit galt es in Deutschland für gebildet, 
möglichst viele Fremdwörter zu gebrauchen. 
e) Verfall des deutschen Reiches. Durch den Westfälischen Frieden 
wurde die Einheit des deutschen Reiches fast vernichtet. Die kaiserliche Macht 
sank zum Schatten herab, während die Macht der Emzelstaaten bedeutend verstärkt 
wurde. Ohne Zustimmung des Reichstages (mit 240 Stimmen) konnte der 
Kaiser weder über Krieg und Frieden beschließen noch Gesetze erlassen oder ein 
Heer ausrüsten. Die etwa 360 weltlichen und geistlichen Fürsten und unmittel¬ 
baren Reichsstädte dagegen, aus denen sich Deutschland zusammensetzte, waren 
jetzt selbständige Herren geworden; sie konnten Krieg führen und Frieden und 
Bündnisse schließen, ganz wie es ihnen beliebte, nur nicht gegen Kaiser und Reich.
	        
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