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VI. Naturbeschreibung.
lichte it nicht glauben, und deshalb strengte jeder die Augen an, um seine Mastspitzen
zu entdecken. Es war vergebens. Der Teifun hatte sein Opfer gefordert; der
Schoner war in der Tiefe begraben. Reinhold Werner.
41. Die Ursachen der Erdbeben.
Über die Ursachen, welche die Erdbeben bedingen, ist seit den ältesten Zeiten
bis auf unsere Tage eine große Menge verschiedener Hypothesen und Theorien auf¬
gestellt worden. Es mag uns erspart bleiben, alle jene Vermutungen aufzuzählen,
die heute als definitiv überwunden betrachtet werden dürfen, eine Bezeichnung, die
wir auch auf die Perreysche Hypothese anwenden, welche in Ebbe- und Flut¬
bewegungen des flüssigen Erdkernes die wahre Ursache sah; wir beschränken uns auf
jene Erklärungsversuche, welche noch heute von Bedeutung sind.
Unter diesen machen vor allem drei Auffassungen Anspruch auf Berücksichtigung.
Die eine stützt sich auf die auslaugende Tätigkeit des Wassers, welche Hohlräume
und durch deren Einsturz Erschütterungen hervorruft, die andere sieht in vulkanischen
Vorgängen an der Oberfläche oder in der Tiefe die Erzeuger der Erdbeben, während
die dritte den Zusammenhang zwischen dem geologischen Baue der Gegenden in
erster Linie betont und die Stöße und Schwankungen des Bodens wenigstens der
Mehrzahl nach mit dem großen Prozesse der Oberflächengestaltung unsers Planeten
in Verbindung bringt und sie als eine spezielle Äußerung der gebirgsbildenden
Kraft betrachtet.
Nur wenige Geologen werden heute noch daran zweifeln, daß Erdbeben auf
sehr verschiedene Weise entstehen können, und daß jede der gegebenen Ursachen wirk¬
sam ist. Meinungsverschiedenheiten bestehen, wenigstens der Hauptsache nach, nur
bezüglich der Ausdehnung, in welcher jeder der drei Faktoren in Tätigkeit tritt.
Es ist eine unzweifelhafte Tatsache, daß das Wasser, welches durch den Boden
sickert, in demselben Bestandteile auslöst und fortführt. Am intensivsten ist das der
Fall, wo Gipsstöcke der auslaugenden Wirkung ausgesetzt sind, nächstdem im Kalk¬
gebirge, wo bekanntlich das Vorkommen von Höhlen und trichterförmigen Ein¬
senkungen, „Dolmen", häufig ist. Hohlräume, die auf diesem Wege entstanden
sind, werden im Laufe der Zeit einstürzen und ein Erdbeben verursachen.
Man hat diese Art von Erschütterungen als Ein sturzbeb eu bezeichnet,
doch faßt dieser Ausdruck ihr Wesen nicht ganz richtig auf; denn auch viele von den
Stößen, die man mit der Gebirgsbildung in Zusammenhang bringt, müssen auf
Einsturz zurückgeführt werden. Der Unterschied liegt nur in der Art und Weise, wie
sich der Holstraum gebildet hat. In unserm Falle ist er durch Auflösung des früher
vorhandenen Materiales in Wasser entstanden, man würde diese Bewegungen also,
wenn ein kurzer Name für sie gegeben werden soll, etwa als Auswaschungsbeben
bezeichnen können. Die auf diese Weise entstehenden Erschütterungen können unter