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V. Das Zeitalter Kaiser Wilhelms 1
2. Umgestaltung des Heerwesens.
Seine erste Sorge wandte Wilhelm I. dem Heerwesen zu. Schon als
Prinzregent hat er mit dessen Umgestaltung begonnen und den tüchtigen
General von Roon zum Kriegsminister ernannt, der auf seiue Anregung uud
in seinem Sinne den Plan zur Neugestaltung des Heeres ausgearbeitet hatte.
Hiernach sollten statt 40000 in jedem Jahre, entsprechend der seit 1815
eingetretenen Zunahme der Bevölkerung, 63000 Mann in das Heer ein-
gestellt und statt der bisherigen zweijährigen Dienstzeit im Heere sollte die
dreijährige durchgeführt werden. Bisher waren oiele Tausende junger Leute
von dem Heeresdienste befreit geblieben, während bei jeder Mobilmachung
ältere, meist verheiratete Männer einberufen werden mußten. Die Neu-
Ordnung des Heeres aber gestattete es, die altern Leute erst im äußersten
Notfalle zu den Waffen zn rufen. Die Verlängerung der Dienstzeit bei
der Fahne ermöglichte eine bessere Schulung des Heeres und die Er¬
höhung seiner Kriegstüchtigkeit. Die Durchführung der Heeresnmgeftaltuug
verursachte bedeutende Ausgaben. Vom Abgeordnetenhaus erlangte die
Regierung in den Jahren 1859 und 1860 die erforderlichen Geldmittel
zur Heeresvergrößerung auf je ein Jahr. Als der König die Neuordnung
als oberster Kriegsherr für dauernd erklärte, stieß er auf den Widerstand
des Abgeordnetenhauses. In dieser Königlichen Verordnung erblickte es
eine Schmälerung des jährlichen Steuerbewilligungsrechtes und lehnte
die Weiterbewilligung der erforderlichen Gelder ab. Durchdrungen von
der Überzeugung, ein einziger unglücklicher Krieg würde mehr zer-
stören, als die Kosten der Heeresverwaltung betragen, bestand der König
auf seinem Willen und berief den preußischen Gesandten am französischen
Hofe Otto von Bismarck-Schönhanfen 1862 zum Ministerpräsidenten.
Dieser war als Mitglied des Vereinigten Landtages unerschrocken und
beharrlich für die ungeschmälerten Rechte der Krone eingetreten. Als Ver¬
treter Preußens beim Bundestage in Frankfurt und als Gesandter an
den Höfen zn Petersburg und Paris hatte er sich als Staatsmann von
weitem Blick und festem'Willen erwiesen. Von ihm erhoffte der König
eine kraftvolle Durchführung seiner innern und äußern Politik. Als
Minister erklärte Bismarck dem Abgeordnetenhause, er werde auch ohne
die verfassungsmäßige Bewilligung des Staatshaushalts die Verwaltung
leiten und die notwendigen Steuern erheben in der Zuversicht, der Landtag
werde nachträglich seine Zustimmung geben. Der Konflikt zwischen
Regierung und Volksvertretung dauerte bis zum Schluß des Krieges von
1866. Als die Regierung den Erfolg auf ihrer Seite hatte, gab ber
Landtag die erbetene nachträgliche Zustimmung zu den Ausgaben der
Konfliktsjahre.