Full text: Quellenlesebuch (H. 5)

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6. Gajus Marius. 
er beim ersten Ausrücken die Feinde, stürmte über deren Schlachtreihe hinaus und 
irrte lange suchend in der Ebene umher. Katulus stieß zum Glück mit den Barbaren 
zusammen und lieferte ihnen mit seinen Soldaten die Hauptschlacht. Den Römern 
kam im Kampf sehr die Hitze und die Sonne, die den Cimbern gerade ins Gesicht schien, 
zustatten. Denn diese, gegen Kälte zwar äußerst abgehärtet und, wie erwähnt, auf- 
gewachsen in schattigen und kalten Landen, erschlafften nur zu bald in der Hitze; ihre 
Körper rannen von Schweiß, sie bekamen keinen Atem und mußten ihre Schilde zum 
Schutz vor das Gesicht halten. Die Schlacht fand nämlich kurze Zeit nach der Sommer- 
sonnenwende, nach römischer Rechnung 3 Tage vor Beginn des August, des dama¬ 
ligen Sextilis (101), statt. Ferner hob den Mut der Römer ungemein der Umstand, 
daß der Staub die Feinde unsichtbar machte. Daher erkannten sie von fern deren 
Massen nicht, und jeder kam, im Lauf auf die Gegner einstürmend, zum Handgemenge, 
ohne durch ihren Anblick vorher erschreckt zu sein. Zudem waren die Körper der Römer 
derart abgehärtet und gestählt, daß, wie Katulus selber zum Ruhme seiner Soldaten 
in der Geschichte seines Konsulats erklärt haben soll, kein Römer in Schweiß ge- 
riet und keiner außer Atem kam, trotzdem der Zusammenstoß bei so erstickender Hitze 
und in heftigem Ansturm erfolgte. 
Der größte und streitbarste Teil der Feinde wurde niedergemacht. Ihre vorderste 
Reihe hatte sich mit einer langen, an den Gürteln befestigten Kette zusammengebunden, 
damit ihre Ordnung nicht getrennt würde. Die Römer trieben die Fliehenden bis zu 
ihrer Wagenburg. Hier bot sich ihnen ein entsetzenerregender Anblick. Die Frauen 
standen in schwarzen Gewändern auf den Wagen und töteten die Flüchtigen, den 
Mann, den Bruder, den Vater; sie erwürgten ihre kleinen Kinder mit den Händen 
oder warfen sie unter die Räder der Wagen oder die Füße der Lasttiere und entleibten 
sich dann selbst. Eine Frau soll sich an der Spitze einer Deichsel gehängt haben, und an 
ihren Knöcheln hingen zu beiden Seiten die Kinder an Stricken herab. Die Männer 
banden, weil es an Bäumen fehlte, ihren Hals an die Hörner oder die Beine der 
Ochsen, reizten diese mit Stacheln und wurden dann von den wild davonstürmenden 
Tieren^zu Tode geschleift oder zertreten. Wiewohl auf diese Weise eine große Zahl 
umkam, wurden doch über 60 000 gefangengenommen. Die Zahl ber Gefallenen 
soll boppelt so groß gewesen fein. 
Die Reichtümer plünberten bie Solbaten des Marius, wogegen bie Waffenbeute, 
bie Fahnen und Trompeten, wie es heißt, in bas Lager des Katulus gebracht würben. 
Letztern Umstanb führt auch Katulus hauptsächlich als Beweis an, baß ber Sieg 
auf seiner Seite errungen worben sei. Ms barüber zwischen bert Solbaten Streit 
entstaub, wählte man zu Schiedsrichtern bie gerabe anwesenben Abgeordneten aus 
ber Stabt Parma. Die Soldaten des Katulus führten biese burch bie Leichenhaufen 
ber Feinbe unb zeigten ihnen, baß bie meisten von ihren Wurfspießen durchbohrt 
seien. Letztere waren dadurch kenntlich, daß Katulus in den Schäften seinen Namen 
hatte einschneiden lassen. Trotz allem wurde Marius das ganze Werk zugeschrieben, 
sowohl wegen seines ersten Sieges als auch wegen seines höhern Ranges. Denn er 
war Konsul und Katulus war nur Prokonsul. Besonders pries ihn auch das Volk als 
den dritten Gründer Roms, in der Überzeugung, daß er eine nicht geringere Gefahr 
als die von den Gallern abgewendet habe. Die Bewohner der Stadt waren damals 
in ihren Häusern fröhlich und guter Dinge mit ihren Kindem und Frauen und brachten 
ihm gleich den Göttern die Erstlinge der Speisen und Trankopfer. Auch wollte man, 
daß er beide Triumphe allein hatte. Aber Marius nahm das nicht an, sondern teilte 
ihn mit Katulus.
	        
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