§ 77. Friedrich Wilhelm I.
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Große Vorliebe hatte der König für „lange Kerle", seine „lieben
blauen Kinder", aus denen er die Potsdamer Riesengarde bildete.
Keine Kosten wurden gescheut, um solche Prachtsoldateu selbst aus eut-
sernten Ländern herbeizuschaffen, und wer dem König eine besondere
Freude machen wollte, schenkte ihm einige Riesen.
3. Kronprinz Friedrich, geboren 1712, sollte nach dem Willen des 171
Vaters ein frommer evangelischer Christ, ein braver Soldat und ein
sparsamer Wirt werden. Den wissenschaftlichen Unterricht leitete der
Hugenotte Duhan, den der König im Nordischen Kriege als Frei-
willigen kennen gelernt hatte. Der strenge Lehrplan wurde gewissenhaft
beobachtet; aber der empfängliche Geist des Knaben beschäftigte sich
lieber mit der französischen Literatur, die er durch Duhan kennen
lernte, als mit der Bibel, die er nicht verstand; das sanfte Flöten-
spiel, in dem er durch den Musiker Quauz unterwiesen wurde, war
ihm angenehmer als der Lärm der Trommeln, und das lustige Lebeu,
das er bei einem Besuche in Dresden (an wessen Hofe?) fand, gefiel
ihm besser als die spartanische Lebensweise seines Vaters. Bater uud
Sohn verstanden einander nicht.*) Die Spannung wuchs, als der
König nicht einverstanden war mit dem Plane seiner Gemahlin Sophie
Dorothea und ihrer beiden ältesten Kinder (Stammtafel), durch eine
Vermählung der letzteren mit Kindern des Königs Georg II. von Eng¬
land, des Bruders der Sophie Dorothea, eilt noch engeres Verhältnis
zwischen den beiden Königshäusern zu knüpfen. Um sich aus der
Die letzten Kurfürsten und ersten Könige aus dem Kause Kohenzollern.
Friedrich Wilhelm der Große, 1644—88,
verm. mit Luise Henriette von Oranien.
Friedrich (III.) I., 1688—1713,
verm. mit Sophie Charlotte von Hannover.
Friedrich Wilhelm I., 1713—40,
verm. mit Sophie Dorothea von Hannover.
Wilhelmine, verm. mit Friedrich II. der Große, August Wilhelm. Heinrich.
Markgraf Friedrich von 1740—86, verm. mit Eli-
Baireuth. sabeth von Braunschweig-
Bevern.
Friedrich Wilhelm II., 1786-97.
Friedrich Wilhelm III., 1797-1840,
verm. mit Luise von Mecklenbnrg-Strelitz.
*) „Fritz ist ein Querpfeifer und Poet; er macht sich nichts aus den Soldaten
und wird mir meine ganze Arbeit verderben."