90. Vom zweiten Pariser Frieden bis zum Tode Friedrich Wilhelms HI. 59
freundschaftliche Verhältnis zwischen Österreich. Preußen und Rußland,
vermieden. Dagegen wurde Frankreich wieder von einer inneren Er-
schütternng betroffen: Karl X., der letzte König aus dem Hause Bour-
bon, du Mann, der „nichts gelernt und nichts vergessen" hatte, be-
schränkte die Rechte der Volksvertretung und der Presse und wurde
deshalb durch die Pariser Julirevolutiou 1830 gestürzt. Zum 1830.
„König der Franzosen" wurde durch die Volksvertretung Ludwig
Philipp von Orleans ernannt. Auf die meisten deutschen Staaten
hatte die Julirevolution nur geringe Wirkung. Nur in Braunschweig.
Sachsen und Kurhessen fanden Aufstände statt.
Die Belgier ahmten unmittelbar nach der Julirevolution das Beispiel der
Griechen nach: sie rissen sich von der holländischen Herrschaft los und wählten 1831
den Prinzen Leopold von Koburg zum König.
Hannover wurde 1837 nach dem „salischen Gesetze" (Ausschluß 1837.
der weiblichen Erbfolge) von England getrennt. Während hier die
Königin Victoria (vermählt mit Albert von Koburg) den Thron bestieg,
wurde in Hannover Ernst August König. Er hob sofort die Ver-
fasfung, die feiner Willkür Schranken gesetzt hätte, eigenmächtig auf
und erregte dadurch tiefe Unzufriedenheit. Sieben Göttinger Professoren,
die der neuen Verfassung ihre Anerkennung versagten, darunter Jakob
und Wilh. Grimm, die Altmeister deutscher Sprachforschung, und Wilh.
Weber (s. uuteu), wurden abgesetzt.
Welche entgegengesetzten Wünsche im Versassuugsleben hatten Regierungen
und Untertanen?
2. Kirche und Schule in Preußen. Die beiden Konfessionen der
evangelischen Kirche wurden nach einem Aufrufe Friedrich Wil-
Helms III. zur dreihundertjährigen Jubelfeier der Reformation in Preußen 1817.
und bald auch in anderen deutschen Läuderu durch die Union zu einer
Kirchengemeinschaft verewigt, was jedoch manchen Widerspruch von
lutherischer Seite (Gründung lutherischer Gemeinden) im Gefolge hatte.
In demselben Jahre fetzte der König das Ministerium des Kultus
(der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten) ein. Die
Schulen wurden bedeutend vermehrt, und bald hatte jedes Dorf im
Staate ferne Schule. In den einzelnen Provinzen wurden für die
Leitung des höheren Schulwesens die Provinzial- Schulkollegieu ge-
schaffen, währeud die Aufsicht über die niederen Schulen den König-
liehen Regierungen übertragen wurde. Schou damals wurde das
preußische Schulwesen ans eine Höhe gebracht, welche die Bewunderung
des Auslandes erregte.*)
*) In Frankreich nannte man Preußen das Land der Kasernen und der Schulen.