Altdeutsche Heldensage. 
Ein Hirsch läuft dort herüber zur Weide voll Begier; 
Mich dünkt, ich sah noch niemals ein so gewaltig Tier." 
Z. Der Held, der Flut entsprungen, warf um den Mantel sich 
Und heischte nach dem Renner, der grasend ihn umstrich, 
Doch schon mit großen Sätzen der Hirsch den Wald gewann, 
Wo er des Königs Speere, so schien es, leicht entrann. 
4. Doch diesem, den im Dickicht das Warten baß verdroß, 
Hielt plötzlich an der Seite ein rabenschwarzes Roß, 
Den Sattel auf dem Rücken und ritterlich gezäumt; 
Nicht lang> sich drauf zu schwingen der alte Kämpe säumt. 
5. Kaum aber sitzt er oben, als sich das Pferd erhob 
Und flinker wie ein Vogel dahin zur Weide stob. 
Es war, als wenn es triebe voran ein Sturmeswehn; 
Von ihm wie von dem Hirsche war bald nichts mehr zu sehn. 
6. Jetzt kam mit Dietrichs Nenner der Knappe keuchend an 
Und alle vom Gefolge auch eilten mit heran, 
Sie ließen los die Rüden, doch half es wenig nur, 
Es wollte keine folgen dem Rappen auf der Spur. 
7. Voll Sorge setzt dem Berner der treue Schützling nach, 
Bis unter ihm das Leibroß des Herrn zusammenbrach 
Und er in tiefem Dunkel allein im Walde stund: 
Wo Dietrich hingekommen, ward seinem Blick nicht kund. 
8. Vergeblich ward durchstrichen jed* nah und fernes Feld, 
Es ließ sich nicht erkunden der jäh entrückte Held; 
Doch wollt^ es niemand glauben, daß er gestorben sei, 
Die spät erst nach ihm kommen, noch sehnten ihn herbei. 
9. Wohl auch, wenn seinem Volke ein schweres Unheil droht, 
Erzeigt sich^s, daß der Treue selbst heute noch nicht tot: 
Auf schwarzem Rosse reitend, wird er voll Ernst erblickt, 
Zumal wo Ort und Stille sich wohl zum Weidwerk schickt. 
Martin Greif. 
^ 202