Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

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er war bekanntlich sieben seiner Fußlängen hoch —, sein Haupt 
schön gerundet, die Augen sehr groß und klar, die Nase etwas 
mehr als mittelgroß, der Gesichtsausdruck heiter und freundlich, 
und die grauen Haare des Alters standen ihm ganz gut. Das 
alles gab ihm, mochte er stehen oder sitzen, ein Aussehen voll 5. 
Hoheit und Würde/und das Ebenmaß der übrigen Glieder ließ 
ganz übersehen, daß sein Hals etwas zu kurz und dick war und 
sein Unterleib etwas hervortrat. Sein Gang warfest, seine ganze 
Körperhaltung männlich, die Stimme zwar klar und hell, aber für 
seine Figur nicht so recht passend; seine Gesundheit vorzüglich, außer 10. 
daß er die letzten vier Jahre vor feinem Tode häufig von Fieber¬ 
anfällen geplagt wurde; zuletzt wurde ihm auch der eine Fuß 
gelähmt. Und in diesen Zeiten lebte er mehr nach seinen: Gut¬ 
dünken als nach dem Rathe der Aerzte, die er nicht leiden mochte, 
weil sie ihm den Genuß gebratenen Fleisches, was seine gewöhnliche 15. 
Kost war, untersagt, und Brühen an dessen Stelle anempfohlen 
hatten. Beständig machte er ritterliche Uebungen und Jagden mit, 
wie das volksmäßig ist; denn es gibt kaum irgend eine Nation auf 
der Erde, die in dieser Kunst sich mit den Franken vergleichen darf. 
Auch war er ein großer Freund der heißen Quellen, und hatte sich 20. 
so im Schwinrmen geübt, daß ihm darin Niemand den Rang streitig 
machen konnte. Deßhalb baute er gerade zu Aachen einen Palast, 
uub wohnte während seiner letzten Lebensjahre beständig dort. Auch 
lud er nicht bloß seine Söhne zur Theilnahme am Bade ein, sondern 
auch die Großen des Reiches und seine befreundete Umgebung, mit- 25. 
unter sogar seine Trabanten und Leibwächter, so daß er sich manch¬ 
mal in Gesellschaft von hundert oder mehr Leuten badete. 
Sein Anzug war der volksmäßige, d. h. fränkische. Auf dem 
Leibe trug er ein Kamisol von Linnen und Beinkleider von demselben 
Zeuge; darüber einen Rock, der einen Seidenbesatz hatte, und Hosen; 30. 
Strümpfe und Schuhe, und im Winter schützte er sich Schultern 
und Brust mit einen: Ueberwurf aus Otter- und Zobelpelz; sein 
dunkelgrüner Mantel umhüllte ihn, und in: Gurte führte er stets 
das Schwert, dessen Griff und Gehänge von Silber oder Gold 
war. Etliche Riale trug er auch einen reich mit Edelsteinen besetzten 35. 
Degen, doch nur bei großen Festlichkeiten, oder wenn Gesandt¬ 
schaften von sren:den Nationen empfangen wurden. Von fremder 
Kleidung, mochte sie auch noch so kostbar sein, wollte er nichts 
wissen, und legte sie nie an, außer daß er sich einmal zu Rom aus 
des Papstes Hadrian Wunsch und dann noch einmal durch die 40. 
inständigen Bitten seines Nachfolgers veranlaßt, zu einem langen 
Qbergcwand und dem Purpnrmantel, auch zu Schuhen, wie sie die 
Römer tragen, bequemte. An hohen Festen pflegte er ein mit Gold 
durchwirktes Gewand und mit Edelsteinen besetzte Schuhe anzuziehen, 
auch die Spange seines Mantels war dann von Gold, und sein 45. 
Haupt schmückte ein Diaden: von Gold und Edelsteinen; an den 
Werkeltagen aber unterschied er sich in seiner Tracht kaun: von dem 
übrigen, gewöhnlichen Volke. 
In Speise und Trank war er sehr enthaltsam, doch mehr noch
	        
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